Dringernder Verdacht
hat. Darauf läuft es hinaus.«
»Aber als ich mit ihm gesprochen habe,
schien er nicht sonderlich verbittert.«
»Ich habe auch nicht gesagt, dass er verbittert ist. Yolanda ist diejenige, welche. Sie ist eine richtige
Giftspinne, eine Frau, mit der man sich nicht streiten möchte.«
»Ich höre.«
»Sie haben sie doch kennen gelernt.
Sagen Sie selbst.«
Ich zuckte die Achseln. »Persönlich
kann ich sie nicht ausstehen. Ich war eine halbe Stunde dort, und sie hat ihn
die ganze Zeit heruntergemacht. Tausend kleine Spitzen und Sticheleien, lauter
Witzchen auf seine Kosten. Dann schon lieber einen offenen, handfesten Krach.
Das ist wenigstens ehrlich. Sie erschien mir so... wie soll ich sagen...
hinterlistig.«
Simone lächelte leise. »O ja, sie ist
sehr raffiniert. Aber ich versichere Ihnen, unter alledem ist sie eine wahre
Glucke. Sie darf ihn behandeln, wie immer sie möchte, aber wehe, jemand anderes
besitzt die Frechheit! Ich finde, sie ist eine sehr plausible Kandidatin.«
»Aber die Frau muss doch mindestens
fünfundsechzig sein. Es ist schwer vorstellbar, dass sie sich plötzlich aufs
Morden verlegt.«
»Sie kennen Yolanda nicht. Mich
erstaunt nur, dass sie’s nicht schon früher getan hat. Und was ihr Alter
angeht, sie ist allemal besser in Form als ich.« Sie wandte den Blick ab und
straffte sich. »Ich muss los. Entschuldigen Sie, dass mir die Pferde
durchgegangen sind.« Sie legte den Rückwärtsgang ein und parkte aus. Ich sah ihr
interessiert nach, als sie davonfuhr.
18
Ich kehrte um und ging wieder zum
Ausgang zurück. Ich sah Henry über den Parkplatz auf seinen Wagen zusteuern.
Der erste Schwung der Trauergäste hatte sich bereits weitgehend zerstreut, und
die, die noch drinnen geblieben waren, kamen jetzt nach und nach auch heraus.
William tauchte aus den kühlen Tiefen der Einsegnungshalle auf. Er wirkte
irgendwie beleidigt und verwirrt. Er stülpte sich den Hut auf den Kopf und
justierte ihn so, dass er gerade saß. »Ich kapiere nicht, welche Konfession das
war.«
»Ich glaube, der Gottesdienst sollte
alle Optionen abdecken«, sagte ich.
Er sah über seine Schulter und musterte
indigniert die Fassade. »Dieser Bau sieht aus wie ein Restaurant.«
»Na ja, wissen Sie, essen gehen ist
heutzutage auch eine Art Religion«, sagte ich trocken. »Früher haben die Leute
den Zehnten an die Kirche abgeführt. Heute gibt man dem Kellner zehn Prozent.«
»Ich muss sagen, das war eine stillose
Trauerfeier. Bei uns in Michigan werden noch richtige Gottesdienste abgehalten.
Wenn ich es recht verstehe, gibt es noch nicht einmal eine Beisetzungszeremonie
am Grab. Höchst respektlos, wenn Sie mich fragen.«
»Das macht nichts«, sagte ich. »Morley
hatte keine sonderlich entwickelte religiöse Ader, und er hätte wahrscheinlich
nicht gewollt, dass um seinen Tod irgendein Zirkus veranstaltet wird. Außerdem
ist seine Frau krank, und sie konnte vielleicht einfach nicht noch mehr
verkraften.« Ich sagte nicht, dass der Leichnam vermutlich gleich zur
Gerichtsmedizin geschafft wurde.
»Wo ist Henry?«, fragte William.
»Ich glaube, er ist den Wagen holen
gegangen.«
»Möchten Sie noch mit uns kommen? Wir
werden zu Hause ein leichtes Mittagessen auf der Veranda einnehmen und würden
uns freuen, wenn Sie uns die Ehre geben würden. Wir haben auch Rose eingeladen,
um uns auf diese Weise für ihre Freundlichkeit zu revanchieren.«
»Ich würde gerne mitkommen, aber ich
habe noch etwas zu erledigen. Ich werde etwas später vorbeischauen.«
Henry kam in seinem fünffenstrigen
Coupé angerollt. Er fährt einen 1932er Chevrolet, den er als Neu wagen erworben
hat. Das Auto ist akribisch gepflegt und instand gehalten, und Lackierung,
Stoßstangen und Sitzbezüge sind noch original. Wenn es Williams Wagen gewesen
wäre, hätte er sicher affig gewirkt. Mit Henry am Steuer wirkte er nur verwegen
und sexy. Auf Henry muss man ein Auge halten, da er immer noch eine große
Anziehungskraft auf Frauen aller Altersstufen ausübt, mich eingeschlossen. Ich
sah, wie die Leute zuerst den Wagen und dann Henry musterten, um herauszufinden,
ob er irgendein Prominenter war. Da Santa Teresa keine zwei Stunden von
Hollywood entfernt liegt, leben hier etliche Filmstars. Jeder weiß das, aber es
haut einen doch um, wenn man merkt, dass der Typ bei der Wagenwaschanlage, der
aussieht wie John Travolta, tatsächlich John Travolta ist. Einmal wäre ich fast
gegen einen Baum gefahren, weil ich Steve Martin durch
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