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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mich
gefragt, ob ich Maria Shine sei. Ich habe ihm gesagt, der Name sei Morley, und
der habe sich offenbar verspätet. Der Kerl hat versucht, mir die
Schachtel aufzudrängen, aber ich hatte schon lange genug gewartet und wollte
weg. Ich hasse es, wenn man mich versetzt. Ich habe Besseres zu tun.«
    »Was hat der Mann damit gemacht?«
    »Mit der Schachtel? Keine Ahnung.
Wahrscheinlich hat er sie vorne abgegeben. Oder er hat sie einfach vor die Tür
gestellt.«
    »Von welcher Bäckerei kam er?«
    »Das habe ich nicht gesehen. Der
Lieferwagen war rot. Vielleicht war’s ja auch ein Botendienst, jetzt, wo ich
drüber nachdenke. Was soll die Fragerei?«
    »Morley wurde ermordet.«
    Sie sagte »Ach«, und ihre Überraschung
schien echt.
    »Wahrscheinlich war es die Pastete in
der Schachtel, die Sie gesehen haben. Ich habe gerade mit dem Gerichtsmediziner
gesprochen.«
    »Er wurde vergiftet?«
    »Sieht so aus.«
    »Was folgt daraus?«
    »Ich weiß es noch nicht. Morley wusste
irgendetwas. Ich weiß nicht genau, was es war, aber ich denke, ich bin dicht
dran.«
    »Schade, dass er Ihnen nicht
hinterlassen hat, was es war.«
    »In gewisser Weise hat er das. Ich
weiß, wie sein Gehirn gearbeitet hat. Er und der Mann, der mir dieses Handwerk
beigebracht hat, waren jahrelang Partner.«
    »Wollten Sie sonst noch etwas von mir?«
    »Im Moment nicht. Ich lasse Sie jetzt
in Ihr Bad steigen.«
     
    Ich fuhr zum Freeway und dann den 101
nach Norden bis zur Abfahrt Cutter Road. Ich hielt mich links und gelangte von
vorn nach Horton Ravine. Ich hatte das Gefühl, dass ich die ganze Woche nichts
weiter getan hatte, als zwischen Colgate, Santa Teresa Zentrum und hier hin-
und herzuflitzen. Der Nachmittag war schon grau, typisch Dezember, die
Temperatur kaum noch über zehn Grad, die Art Kälteeinbruch, über die sich nur
Kalifornier beschweren können. Ich parkte in der halbkreisförmigen Einfahrt und
klingelte. Francesca öffnete selbst. Sie trug ein schokoladenbraunes, wollenes
Hemdblusenkleid, schwarze Strumpfhosen und Stiefel und einen schwarzen, rund
ausgeschnittenen Pullover wie einen Schal um die Schultern geschlungen.
    Sie sagte: »Nanu, Kinsey. Mit Ihnen
hätte ich zuletzt gerechnet.« Sie zögerte, den Blick prüfend auf mein Gesicht
gerichtet. »Stimmt etwas nicht? Sie sehen so komisch aus. Gibt es schlechte
Neuigkeiten?«
    »Ja, die gibt es, aber damit will ich
Sie jetzt nicht belasten. Haben Sie einen Moment Zeit? Ich muss kurz mit Ihnen
sprechen.«
    »Sicher. Kommen Sie doch rein. Guda ist
noch eben ein paar Sachen einkaufen gegangen. Ich wollte gerade im Kaminzimmer
Kaffee trinken. Lassen Sie mich schnell einen Becher holen, dann können Sie mir
Gesellschaft leisten. Scheint ja ziemlich widerlich zu sein, da draußen.«
    Es ist überall widerlich, dachte ich.
Ich folgte ihr in die Küche, die ganz in Schwarz-Weiß gehalten war und an drei
Seiten riesige Fenster hatte. Die Frontseiten der Geräte waren schwarz, ebenso
wie die der Küchenschränke, die aus glänzendem Lackholz bestanden. Die
Arbeitsplatten waren aus Edel-Kunststoff, schneeweiß und fugenlos, die
Hängeborde und Accessoires aus blankem Aluminium. Die einzigen Farbtupfer waren
knallrote Geschirrtücher und Topfhandschuhe. Sie nahm einen Becher aus dem
Schrank und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, dass wir durch das Esszimmer
ins Kaminzimmer gehen könnten. »Nehmen Sie Sahne und Zucker? Steht beides
drüben auf dem Tablett. Es ist aber auch Magermilch da, wenn Sie die lieber
mögen.«
    »Sahne ist okay«, sagte ich. Ich wollte
ihr im Moment noch nichts von Morley erzählen. Sie sah mich über die Schulter
forschend an, offensichtlich irritiert durch mein Verhalten. Schlechte
Neuigkeiten sind eine Last, die anscheinend nur leichter wird, wenn man sie teilt.
    Die Wände des Kaminzimmers waren
birkenholzgetäfelt, die Sitzmöbel mit sattelfarbenem Leder bezogen. Sie ließ
sich wieder auf dem Ledersofa nieder, wo sie offenbar schon vorher gesessen
hatte. Sie war gerade dabei, ein Buch zu lesen, einen gebundenen Roman von Fay
Weldon, den sie, dem Lesezeichen nach zu urteilen, fast durchhatte. Es war
Ewigkeiten her, dass ich das letzte Mal einen Tag blau gemacht und mich mit
einem guten Buch unter einer warmen Decke eingeigelt hatte. Eine behäbige
Kaffeekanne stand auf der einen Seite des Messingtischchens. Sie goss Kaffee in
den Becher und reichte ihn mir. Ich nahm ihn mit einem gemurmelten »Danke«, das
sie mit einem unsicheren Lächeln quittierte. Sie zog ein

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