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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Kissen auf ihren Schoß
und hielt es umfasst wie einen Teddy.
    Ich registrierte, dass sie mich nicht
weiter drängte, ihr zu sagen, weshalb ich da war. »Ich habe mir Morleys
Terminkalender angesehen. Seinen Notizen zufolge hat er letzte Woche mit Ihnen
gesprochen. Das hätten Sie mir sagen sollen, als ich Sie danach gefragt habe.«
    »Oh.« Sie hatte immerhin so viel
Anstand, rot zu werden, und ich sah, dass sie unschlüssig war, wie sie
reagieren sollte. Sie musste wohl befunden haben, dass es nichts brachte, an
ihrer Lüge festzuhalten. »Ich hatte wohl gehofft, Sie bräuchten es nicht
unbedingt zu erfahren.«
    »Würden Sie mir bitte erzählen, was
wirklich los war?«
    »Es ist mir sehr peinlich, aber ich
habe ihn selbst angerufen, gleich am Donnerstagmorgen, und die Verabredung
ausgemacht.«
    Schweigen. Ich sagte: »Und?«
    Sie zog die eine Schulter hoch. »Ich
war wütend auf Kenneth. Ich hatte etwas entdeckt... etwas, wovon ich nichts
wusste...«
    »Nämlich?«
    »Gleich. Sie müssen den Kontext
verstehen...«
    Ich brannte darauf. Das Wörtchen
»Kontext« fällt immer dann, wenn es darum geht, Fehlverhalten zu rechtfertigen.
Man braucht nicht vom »Kontext« zu reden, wenn man etwas Richtiges getan hat.
»Ich höre.«
    »Mir ist endlich klar geworden, wie
satt ich die ganze Sache mit Isabelles Ermordung habe. Ich habe die Nase voll
von diesem Thema und dem ganzen dramatischen Drum und Dran. Das ist jetzt sechs
Jahre her, und Kenneth kann bis heute noch von nichts anderem reden. Ihr Tod,
ihr Geld, ihr Talent, ihre Schönheit. Die Tragik. Er ist völlig besessen von
dieser Frau. Er liebt sie tot mehr, als er sie lebendig je geliebt hat.«
    »Nicht unbedingt...«
    Sie redete weiter, als hätte ich nichts
gesagt. »Ich habe Morley erzählt, dass ich Iz gehasst habe, dass ihr Tod für
mich ein Freudenfest war. Ich habe einfach alles ausgespuckt, diesen ganzen
emotionalen... Müll. Das Verrückte ist, als ich dann später noch mal darüber
nachgedacht habe, ist mir klar geworden, wie verdreht mein ganzes Verhalten
war. Und Kenneths auch. Ich meine, schauen Sie uns doch an. Das ist doch eine
höchst neurotische Beziehung.«
    »Und zu diesem Schluss sind Sie
gekommen, nachdem Sie mit Morley geredet hatten?«
    »Das hat auch zu der Einsicht
beigetragen, dass ich da dringend herausmuss. Wenn ich je gesund werden will,
muss ich mich von Ken trennen und lernen, zur Abwechslung mal auf eigenen Füßen
zu stehen.«
    »Und da haben Sie beschlossen, ihn zu
verlassen. Letzte Woche erst?«
    »Eigentlich — ja.«
    »Also hatte es nichts mit Ihrer
Krebserkrankung vor zwei Jahren zu tun?«
    Sie zuckte die Achseln. »Das hat sicher
auch eine Rolle gespielt. Es war wie so eine Art Erwachen. Plötzlich ist mir
aufgegangen, was ich da tue. Bis ich mit Morley geredet habe, dachte ich
wirklich, ich sei glücklich verheiratet. Aufrichtig. Ich dachte, es sei alles
bestens. Naja, mehr oder weniger jedenfalls. Danach ist mir klar geworden, dass
das alles nur eine Illusion war.«
    »Muss ja ein sehr intensives Gespräch
gewesen sein«, sagte ich. Ich wartete einen Moment, aber sie war in Schweigen
versunken. »Was heißt >mehr oder weniger    Sie sah mich an. »Was?«
    »Möchten Sie mir erzählen, was Sie
entdeckt haben? Sie sagten, Sie hätten etwas herausgefunden, was Sie wütend
gemacht hat. Und wenn ich Sie recht verstehe, haben Sie sich deshalb überhaupt
erst mit Morley in Verbindung gesetzt.«
    »Oh, ja, natürlich. Ich habe im Arbeitszimmer
aufgeräumt, und dabei bin ich auf Belege über Zahlungen gestoßen, von denen Ken
mir nichts erzählt hatte.«
    »Bankbelege?«
    »So ähnlich. Eine Aufstellung in einem
Abrechnungsbuch. Er hat jemandem... nun ja... finanzielle Zuwendungen zukommen
lassen.«
    »Finanzielle Zuwendungen«, wiederholte
ich verständnislos.
    »Ja, Sie wissen schon. Regelmäßige
monatliche Barzahlungen. Und zwar schon seit drei Jahren. Als guter
Geschäftsmann hat er darüber natürlich Buch geführt. Er hat wohl nicht gedacht,
dass mir diese Einträge jemals in die Hände fallen könnten.«
    »Was soll das? Hat Kenneth eine
Geliebte?«
    »Das habe ich zuerst auch gedacht, aber
es ist in gewisser Weise schlimmer.«
    »Francesca, würden Sie bitte aufhören,
um den heißen Brei herumzureden, und mir erzählen, was Sache ist?«
    Sie brauchte erst Anlauf. »Das Geld
ging an Curtis McIntyre.«
    »An Curtis ?«, fragte ich. Das
überstieg mein Fassungsvermögen. »Weshalb?«
    »Das wollte ich auch

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