Dringernder Verdacht
und gab mir das Blatt zurück. »Fragen Sie mich ruhig noch mehr«, sagte
er. »Ich sag Ihnen alles.«
»Das ist nett. Vielen Dank. Wenn ich
noch eine Frage habe, werde ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Nachdem ich Curtis verlassen hatte,
setzte ich mich in mein Auto. Ich beobachtete, wie die Polizeiwagen kamen und
losfuhren. Das war einfach zu perfekt, um wahr zu sein. Da war dieser Curtis McIntyre,
der munter Nägel zu Barneys Sarg lieferte, aber was er sagte, klang einfach
nicht stimmig. David Barney weigerte sich, irgendetwas zu sagen, fast fünf
Jahre nach der Tat und zwei Jahre nach seinem Freispruch. Nach dem, was Lonnie
erzählte, war es schon ein Kraftakt gewesen, ihm auch nur die harmloseste
Information aus der Nase zu ziehen. Wieso sollte er einem Tropf wie Curtis ein
spontanes Geständnis ins Ohr flüstern? Ach ja, die Widersprüche der
menschlichen Natur waren ein ewiges Rätsel. Ich ließ den Wagen an und fuhr vom
Parkplatz.
Den Akten zufolge wohnte Isabelle
Barneys Schwester, Simone Orr, noch immer auf dem Barneyschen Grundstück in
Horton Ravine, einem der beiden Edel-Wohnviertel von Santa Teresa.
Werbebroschüren des Verkehrsamts nennen Horton Ravine ein »funkelndes Juwel in
parkartiger Umgebung«, woraus man entnehmen kann, wie dick solche Prospekte
auftragen. Nach Norden hin ragen die Santa-Ynez-Berge in den Himmel. Im Süden
erstreckt sich der Pazifische Ozean. Das Panorama wird stets »atemberaubend«, »fantastisch«
oder »einmalig« genannt.
Immobilienanzeigen, die diese Gegend
preisen, strotzen von Worten wie »Lieblichkeit« und »Ruhe«. Jedem Substantiv
ist ein Adjektiv beigefügt, das ihm das rechte Flair verleihen soll. Die
»luxuriösen, gepflegten« Grundstücke sind groß, im Schnitt bestimmt fünf
Morgen, mit Pferdekoppeln. Die »gediegenen, geräumigen« Häuser stehen ein gutes
Stück abseits der Straße, die sich durch die mit Lorbeer, Platanen, immergrünen
Eichen und Zypressen »gezierten« Hügel windet. Jede Menge zieren und inmitten.
Ich merkte, wie ich im Werbejargon vor
mich hin rhapsodierte, während ich meinen Weg suchte, die lange, geschwungene
Zufahrt entlang, zu dem stattlichen, geschützten Portal dieses
klassisch-mediterranen Anwesens mit seinem weiten Panorama-Blick auf die
heiteren Berge und den glitzernden Ozean. Ich fuhr in den prächtigen
Steinplatten-Hof und parkte meinen gebrauchten VW in einer Lücke zwischen einem
Lincoln und einem Beamer. Ich stieg aus, betrat einen mauerumfriedeten Garten
und ging den mosaikgepflasterten, überdachten Zugangsweg entlang. Das gesamte
Vier-Morgen-Areal zierten vielfältige Stauden, üppige Farne und importierte
Palmen, und dazu zwei Gärtner, die vierhundert Meter Schlauch herumschleppten.
Ich hatte mich bei Simone telefonisch
angemeldet, und sie hatte mir genau erklärt, wie ich zu ihrem kleinen Häuschen
kam, das auf dem unteren Grundstücksteil lag, inmitten üppiger Rasenflächen und
diverser Nebengebäude wie Poolhäuschen und Geräteschuppen. Ich umrundete den
Ostflügel des Hauses, das, wie mir erläutert worden war, von einem bekannten
hiesigen Architekten stammte, dessen Namen ich noch nie gehört hatte. Ich
überquerte die im spanischen Stil geflieste Terrasse mit individuell
gestaltetem, schwarzgrundigem Pool, Lavagestein-Wasserfall, Planschbecken und
Koi-Bassin, umgeben von niedrigen, perfekt gestutzten Lantana- und Eibenhecken.
Ich ging eine Treppe hinunter und folgte einem Plattenweg zu einem an den Hügel
gekauerten flachen Holzhäuschen.
Das Haus war winzig, bretterverschalt,
mit einem steilen Schindeldach und einer Bohlenterrasse an drei Seiten. Außen
war es shaker-blau, mit Weiß abgesetzt. Die höher gelegene Partie sämtlicher
Außenwände bildeten Holzrahmen-Fenster. Die obere Hälfte der zweiteiligen Tür
stand offen. In Santa Teresa kann der Dezember so sein wie in anderen Teilen
der Staaten der Frühling — graue Tage, ein bisschen Regen, aber zwischendurch
eine Menge blauer Himmel.
Ich blieb stehen, hingerissen von dem
Anblick. Ich habe eine Schwäche für kleine, geschlossene Räume, eine kaum
verhohlene Sehnsucht nach der Rückkehr in den Mutterleib. Als ich nach dem Tod
meiner Eltern zu meiner unverheirateten Tante kam, richtete ich mir in einem
riesigen Karton ein eigenes Plätzchen ein. Ich war gerade erst fünf, aber ich erinnere
mich noch, mit welcher Hingabe ich dieses kleine Wellpappe-Refugium
einrichtete. Der Boden war mit Kopfkissen ausgelegt. Ich hatte eine Decke
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