Dringernder Verdacht
Der
Duft von Rosmarin und Thymian wehte zu mir herüber. Das Haus stand auf einer
halbmondförmigen, grasbewachsenen Terrasse. Darunter fiel der Hang steil ab, zu
einem Dickicht aus immergrüner Eiche und Chaparral. Der Blick ging bis zu den
Bergen jenseits von Santa Teresa. Ich trat wieder durch die einzige Tür, die in
die Küche führte. »Sie müssen mal zu mir kommen. Meine Wohnung ist von der Art
her sehr ähnlich. Ein gemütliches kleines Versteck.«
Ich setzte meine Besichtigungstour
fort, während sie ein paar Scheiben von einem Laib Weißbrot abschnitt. Mit
wenigen Schritten durchmaß ich das ganze Haus. Die Möbel waren alt: ein roher
Kiefernholztisch, zwei Stühle mit geflochtener Sitzfläche, ein Eckschrank mit
welligen, blaugetönten Glasscheiben, ein Messingbett mit einer
Patchwork-Tagesdecke in verschiedenen Weißtönen. Das kleine Bad war der einzige
abgeschlossene Raum. Der Rest bestand im Grunde genommen aus einem großen
Zimmer mit verschiedenen Funktionsbereichen. Alles war offen, luftig,
ordentlich, hell, jedes Detail war perfekt, wie eine Illustration in einem
schicken Wohn-Magazin. Aus den vorderen und seitlichen Fenstern hatte man einen
schönen Blick, während hinter dem Haus der Hang steil zum Haupthaus anstieg.
Ich zog mir einen Hocker an die
Arbeitsfläche heran und sah zu, wie sie Sandwiches machte. Sie stellte Teller,
Bestecke und blauweiße Stoffservietten vor mich hin. Ich deckte den Tisch. »Wie
hat sie das hingekriegt, wenn sie keine Architektin war?«
»Sie hat eine Art unbezahlte Lehre bei
einem hiesigen Architekten gemacht. Fragen Sie mich nicht, wie sie das
geschafft hat oder warum er sich darauf einließ. Sie ist einfach hingegangen,
wann es ihr passte, und hat gemacht, wozu sie Lust hatte.«
»Kein schlechter Handel«, sagte ich.
»Dort hat sie auch David kennen
gelernt. Er hat in derselben Firma gearbeitet. Ihr Chef war Peter Weidmann.
Haben Sie schon mit ihm gesprochen?«
»Nein, aber ich will gleich nachher zu
ihm.«
»Oh, das ist gut. Er und Yolanda wohnen
ganz in der Nähe. Nur eine Meile von hier. Er ist sehr nett, mittlerweile im
Ruhestand. Er hat Isabelle eine Menge beigebracht. Sie war künstlerisch
veranlagt, aber es fehlte ihr sehr an Disziplin. Sie war begabt, aber eine
schreckliche Dilettantin — voller großartiger Ideen, aber extrem unzuverlässig,
wenn es an die Umsetzung ging. Sie verlor immer sehr schnell das Interesse — bis
sie hiermit anfing.«
»Was heißt >hiermit«
»Sie entwarf Mini-Häuschen. Meines war
das erste. Irgendwie hat das Santa Teresa Magazine davon erfahren und
eine Foto-Reportage gebracht. Die Resonanz war unglaublich. Alle wollten eins.«
»Für Gäste?«
»Oder für halbwüchsige Kinder,
angeheiratete Verwandte, als Atelier oder als Refugium. Das Tolle ist ja, dass
man sich so ein Häuschen einfach in eine Gartenecke stellen kann... wenn man
die Behördenfritzen rumkriegt. Sie und David sind aus Peters Firma
ausgestiegen, als die Sache anlief. Sie haben sich selbstständig gemacht und
über Nacht ein Vermögen verdient. Alle Zeitschriften schrieben über sie, von
den Schickeria-Magazinen bis zu den Massenblättern. Architectural Digest,
House & Garden, Parade. Außerdem hat sie lauter Preise gewonnen.
Es war wirklich verblüffend.«
»Und David? Welche Rolle spielte er
dabei?«
»Ach, sie brauchte ihn. Sie war viel zu
unpraktisch, was das Geschäftliche anging. Sie hatte die Ideen, machte die
ersten Grobskizzen und die Rohentwürfe. David war ausgebildeter Architekt. Also
war er für das Konkrete zuständig, die Zeichnungen, Pläne, Modelle, diese
Dinge. Er machte auch die Werbung, die ganze Vermarktung... die Knochenarbeit
letztlich. Hat Ihnen das noch niemand erzählt?«
»Kein Wort«, sagte ich. »Ich habe Ken
Voigt gestern Abend zum ersten Mal getroffen, und er hat nur kurz über Isabelle
gesprochen. Wie ich schon am Telefon sagte: Ich habe die Akten gelesen, aber
die Einzelheiten kenne ich nicht. Wie stand Barney dazu, dass sie den ganzen
Ruhm einheimste?«
»Wahrscheinlich hat es ihn geärgert,
aber was sollte er machen? Er hat es nicht sonderlich weit gebracht. Und Peter
Weidmann auch nicht.«
Simone kam jetzt mit einem Krug Eistee
und einer Platte mit Sandwiches an den Tisch. Wir setzten uns. zum Essen. Das
grobe Brot war dünn geschnitten und gebuttert. Zwischen den Scheiben hingen
grüne Blätter heraus wie Zierpflanzen über eine Gartenmauer.
»Brunnenkresse«, sagte sie, als sie
meinen Blick sah.
»Oh,
Weitere Kostenlose Bücher