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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Erde und die eingerollten braunen Blätter der Eichen, die wie kleine Klauen aussahen, und zum erstenmal, seit die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, waren alle still. »Mann, ist das dunkel«, murmelte Jiminy, nur um das Schweigen zu brechen, doch jetzt war da das leise Wummern von Musik vor ihnen, und sie gingen weiter, bis sich zwei matt schimmernde Fenster aus der Dunkelheit schälten. Ronnie stolperte über irgend etwas und kickte es mit einer leise raschelnden Bewegung beiseite. Kerzenschein erfaßte die angekohlten Fensterläden, ließ sie los, erfaßte sie, ließ sie wieder los.
    Das war es: das hintere Haus, etwa so groß wie zwei Wohnmobile, die in der Mitte verbunden waren, mit einem Dach aus sonnengebleichten Schindeln und einer angebauten Veranda, die schräg abhing wie ein krängendes Schiff bei Seegang. Hier hatte man in den Tagen, als Norms Vater noch die Ranch geführt hatte, Wanderarbeiter untergebracht, behauptete Alfredo – Pflückerkolonnen, die mit der Obstsaison die Küste rauf und runter zogen: Äpfel in Washington, Kirschen in Oregon, Weintrauben in Kalifornien. Star glaubte es gern – das Haus war damals ein Pennerloch gewesen, und das war es auch heute wieder, eindeutig das heruntergekommenste Gebäude auf dem ganzen Grundstück. Die Fenster waren zugedreckt, es gab weder fließend Wasser noch Strom, und irgendwer hatte in einem schwungvollen Schriftzug Drop City Dropouts über die Tür geschrieben. Star war vielleicht ein halbes Dutzend Mal drin gewesen, immer zu irgendeinem Fest – jedenfalls bis Lester eingezogen war.
    Marco klopfte nicht an. Er stieß die Tür auf, und sie marschierten nacheinander hinein, eher wie Touristen als wie eine Invasionsarmee, und Star versuchte ein Lächeln aufzusetzen, aber es gelang nicht. Sie brauchte eine Minute, bis sich ihre Augen an die Beleuchtung gewöhnt hatten, es gab ein Gewusel von Bewegungen während der geistlosen Stammesbegrüßungen, Was geht ab, Mann , Kerzen flackerten, der leise, ungebundene Puls von Otis Redding mit »Sitting at the Dock of the Bay«. Wer war alles da? Lester, Franklin, drei andere Freaks, zwei schwarz und einer weiß, die sie noch nie gesehen hatte, nicht mal zu den Essenszeiten, wo normalerweise alle zusammenkamen, und – das war überraschend – Sky Dog. Überraschend deshalb, weil auch er weder mittags noch am Abend zum Essen erschienen war und alle angenommen hatten, er sei zurück nach San Francisco gefahren, oder nach Oregon – stammte er nicht ursprünglich aus Oregon, und wie hieß er eigentlich richtig? Er hockte im Schneidersitz auf dem Boden, über seine Gitarre gebeugt, und spielte mit der Musik mit, als plagte ihn keine Sorge der Welt, als wäre nichts geschehen, als wäre erzwungener Sex mit vierzehnjährigen Ausreißerinnen nicht der Rede wert, wie Zähneputzen oder Kacken.
    »Hey, Leute«, sagte Verbie zu ihm, »wie geht’s denn so? Alles klar? Ja? Weil wir nämlich, na ja, mal vorbeischauen wollten und nachsehen, was hier bei euch so abläuft, ja?« Sie war kaum eins fünfzig und hatte kurzgeschnittenes rotes Haar, ein kleines Oval von Gesicht und eine schwarze Lücke dort, wo ihr linker Schneidezahn hätte sein sollen. Die Schminke klebte ihr wie Glitzerstaub am Haaransatz, und sie wirbelte ihr Cape durch die Luft und zappelte herum, als wollte sie gleich mit einem Steptanz quer durchs Zimmer loslegen. »Ich meine, alles cool bei euch?«
    Niemand bestätigte das, aber es fühlte sich uncool an, sehr uncool. Als hätten sie bei irgend etwas gestört. Star zwängte sich hinter Ronnie in den Raum.
    Es gab keinerlei Mobiliar bis auf ein Holzbrett, das auf zwei Mauersteine gelegt war, und alle saßen auf dem Boden – oder nicht direkt auf dem Boden, sondern auf den schrundigen Vinylkissen, die irgendwer von der rostigen Liege draußen beim Pool entwendet hatte, und auf einem khakifarbenen Schlafsack, der aussah, als wäre er meilenweit hinter einem Traktor hergeschleift worden. Jemand hatte den halbherzigen Versuch zum Saubermachen unternommen, denn in der hinteren Ecke erhob sich ein Haufen von zusammengefegten braunen Papiertüten aus dem Schnapsladen, Doughnutschachteln, Zeitungen und Glasscherben. Das einzige Licht kam von zwei Kerzen, die auf beiden Enden des Holzbretts flackerten – wahre Vulkankrater aus Wachs, unstete Schatten, auf einer Schachtel mit Küchenstreichhölzern lag eine Purpfeife –, und während der Rotwein von Hand zu Hand ging, fing die Flasche ein schwaches Schimmern

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