Drop City
Baby, aber nur, wenn dein Arsch weiß ist!«
5
Die Spitzhacke ging auf und nieder, auf und nieder. Marco war in der größten Mittagshitze draußen – vierzig Grad, mindestens –, nur in Jeans und seinen Stiefeln, er schwitzte, er arbeitete und spürte es in den Oberarmen und den Schultern. Jiminy hatte den ganzen Vormittag an seiner Seite geschuftet und die oberste Erdschicht abgetragen, wo die Sickergräben für das Rieselfeld verlaufen sollten, doch als die Sonne direkt über ihnen stand, hatte er die Schaufel so behutsam niedergelegt, als wäre es eine Keramikfigur, und war in Richtung Swimmingpool davongewackelt. Es war nett gewesen, mit ihm zu arbeiten, er hatte über Bücher und Platten und alle möglichen Reiseziele geplaudert – Benares, Rio, Nairobi, irgendeine Stadt in Wisconsin, wo angeblich der größte Käselaib der Welt zu sehen war, und falls der schon verschimmelt sein sollte, bis er es dorthin schaffte, würden sie bestimmt einen neuen ansetzen –, aber Marco hatte auch nichts dagegen, allein zu sein. Alle Kommunen, in denen er gelebt oder zu leben versucht hatte, waren unter dem Druck von Kleinkram zerbröselt, Kochen oder Saubermachen oder Instandhalten, und obwohl es eine schöne Idee war, daß in einer Krise jeder seinen Teil beitragen würde, funktionierte es leider nicht immer.
Doch das hier war wirklich eine Krise, ob es den Leuten klar war oder nicht – die Toiletten im großen Haus quollen über, und hinter jedem Stein, Baum oder auch nur kniehohen Strauch auf dem Grundstück lag Scheiße herum, und das war primitiv, allerdings. Ungewollt primitiv. Aber keiner kam auf die Idee, seinen Dreck mit Erde zu bedecken, geschweige denn eine Latrine zu graben. Sie dachten nicht nach, wollten sich einfach nicht auf die Einzelheiten einlassen. Sie waren ausgestiegen. Sie waren gut drauf . Das reichte ihnen, und je weniger darüber geredet wurde, desto besser. Doch es würde nicht lange dauern, das wußte Marco aus Erfahrung, da könnte der Gesundheitsinspektor des County hier etwas mitzureden haben, und das würde kaum von erweitertem Bewußtsein zeugen.
Er stand unten im Graben, hüfthoch in der Erde, als sich Alfredo näherte, einen Krug Limonade in der einen Hand und einen Spaten in der anderen. Marco sah ihn kommen, doch er grub verbissen weiter, denn zumindest momentan war das Graben sein Elixier, der Antrieb, der sein Blut zum Strömen brachte und seinen Verstand betäubte. Die einfachste Sache der Welt: Spitzhacke hebt sich, Spitzhacke senkt sich, Schaufel stößt hinein, Erde kommt heraus.
»Hey!« rief Alfredo, dabei zeigte er seine spitzen Zähne in einem Grinsen, das eine horizontale Bresche in den drahtigen Überbau seines schwarzen Barts schlug. »Ich dachte mir, du könntest was zu trinken brauchen – und vielleicht auch ein bißchen Hilfe.«
Allerdings konnte er das. Und er war auch dankbar für die drei kostbaren Eiswürfel, die in der Limonade klickerten, aber es gab sicher zwei Dutzend Leute auf Drop City, mit denen er den Nachmittag lieber verbracht hätte. Nichts gegen Alfredo, nur besaß er keinerlei Sinn für Humor – es war, als hätte ihm irgendwer einen glühenden Draht durchs Gehirn gebohrt und alle Humorzellen zu einem Klumpen verätzt –, und wenn es ihm doch mal gelang, etwas witzig zu finden, dann ruinierte er es garantiert, indem er pausenlos die Pointe wiederholte und dazu mit einem katarrhalischen Schnaufen kicherte, so daß es klang, als würde er in Kürze an seinem eigenen Hustenschleim ersticken. Er war auch etwas älter – neunundzwanzig, vielleicht dreißig –, und das führte zu einem weiteren Problem, denn er setzte seinen Altersvorsprung bei jeder Meinungsverschiedenheit wie einen Knüppel ein. Seine Lieblingssprüche waren: »Na, damals bist du wahrscheinlich noch in den Kindergarten gegangen«, und: »Also, ich will dir ja nicht sagen, was du tun solltest, aber ...«
Alfredo stieg in den Graben hinunter, zog sich das Hemd aus und legte seinen bleichen Rippenkorb frei, und dann fing er an zu graben, was ja in Ordnung war. Die ersten paar Minuten arbeiteten sie schweigend nebeneinander, zu ihren Füßen die formbare Erde, ihr Duft in den Nasen wie der Geruch von fossilen Knochen, blutleer und neutral, über ihnen die Sonne, Schweißtropfen als dunkle Flecken im Staub ihrer Schuhe. Irgendwann ertönte plötzlich ein wiehernder Schrei aus der Richtung des Schwimmbeckens, ein Klatscher, noch einer, und dann fragte ihn Alfredo, nur um eine
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