Drop City
ein, als wäre in der bauchigen Glaswandung eine sterbende Sonne eingesperrt.
»Aha, und was spielt ihr hier?« fragte Lester und musterte sie mit einem angespannten Lächeln. »Halloween oder was?« Neben ihm senkte Franklin den Kopf und stieß ein abgehacktes Lachen aus. »Süßes, sonst gibt’s Saures, ja?« fragte Lester. »Auf dem Trip seid ihr?«
»Genau«, schloß sich Franklin an und hob den Weinkrug an die Lippen, mußte ihn aber wieder absetzen, weil er so über den Witz lachen mußte: »Nur haben wir keine Bonbons für euch!«
Ronnie suchte sich einen Platz auf dem Boden, als ob er dort hingehörte, und womöglich war das ja auch der Fall, aber die anderen blieben stehen und traten von einem Fuß auf den anderen. »Also, wir hatten eben eine Versammlung«, sagte Ronnie, und dann begann Verbie, die einfach nie die Klappe halten konnte, in allen Einzelheiten zu berichten, wer genau was wann debattiert hatte, angefangen von der Scheißerei im Wald über die Wochenendhippies und die Rieselfelder, die endlich angelegt werden mußten, und sie arbeitete sich gerade umständlich zum Knalleffekt vor, als Marco erstmals das Wort ergriff.
Er lehnte an einer Wand, die Arme vor der Brust gekreuzt. Er trug ein sauberes weißes T-Shirt und gestreifte Hosenträger, die stramm an seinem Oberkörper anlagen. »Wir wollen, daß ihr abhaut«, sagte er, »ihr alle.« Er richtete den Blick auf Sky Dog. »Damit bist auch du gemeint, mein Freund.«
Sky Dog hob nicht einmal den Kopf, aber Lester zog eine Grimasse. »Oho, hört, hört«, sagte er, »was bist du wohl für ein Sternzeichen, Junge – etwa Steinbock? Das muß es wohl sein – ein echter Bock, Mann, was? Immer stoned und ein alter Bock. Ein geiler alter Bock. Oder haben wir’s hier eher mit einem kämpferischen Bock zu tun, der sein Revier verteidigen will? Seh ich das richtig? Willst du den Kampf? Gibt es Krieg?«
Franklin stieß ein Kichern aus. Die Platte drehte sich weiter. Die Weinflasche ging von Hand zu Hand.
»Aber hör mal, wenn du was vom Krieg wissen willst, und da meine ich nicht diese blöden Antikriegsdemonstrationen, wo die amerikanische Fahne auf dem Rasen vor irgendeinem Spießerhaus verbrannt wird, während wir Nigger für euch nach Vietnam gehen und da die Schlitzaugen in der Pfeife rauchen, dann kannst du gern mal mit meinem Kumpel Dewey hier reden« – hier deutete er auf seinen linken Sitznachbarn –, »Dewey hat nämlich circa acht beschissene Monate lang im Schützengraben bei Khe Sanh gehockt, der kann dir in deinen weißen Arsch treten, daß du von hier bis Detroit und zurück fliegst.«
»Aber darum geht’s doch nicht«, wandte Verbie ein.
»Niemand will hier Streß«, meldete sich Jiminy zu Wort, und er reckte sich hinter Verbie wie der Vertreter einer fremden Spezies, lauter Knochen und Sehnen, seine weißen Beine blitzten unter den Frackschößen, und auf seiner stattlich gewölbten Kinderunterhose grinste Donald Duck in endloser Wiederholung, »nur möchten wir alle hier, also, ich meine, um der Gemeinschaft willen ...«
Das Ganze lief zäh ab, viel zu zäh, und Star konnte sich nicht länger zurückhalten. »Ihr habt diese Frau vergewaltigt«, sagte sie, und es war, als hätte sie die Stereoanlage zerschmettert oder die Kerzen mit rauchenden Colts ausgeschossen. Im ganzen Raum wurde es still. Sie sah Lester an, und Lester, dessen Hände über seinen spitzen Knien baumelten, sah zu ihr hin. Hier ging es weder um Frieden und Liebe noch um Brüder und Schwestern. Das hier war scheußlich, und wenn Scheußlichkeit ihr Ding gewesen wäre, hätte sie auch zu Hause in Peterskill, New York, bleiben können.
»Komm schon, Star«, rief Ronnie sie zur Ordnung, aber Lester unterbrach ihn. »Ich habe niemanden vergewaltigt «, sagte er, »schließlich beruhte alles, was hier gestern abend ablief, total auf Gegenseitigkeit . Scheiße, Mann, du warst doch dabei, Pan – du weißt genau, wie’s gewesen ist!«
»Scheiß drauf«, sagte Marco. »Ihr verschwindet jetzt von hier, ihr alle.«
»Genau«, sekundierte ihm Jiminy. »Hört zu, es tut mir leid, aber wir alle haben ...«
»Ihr habt was?« fauchte Lester zurück. »Das I Ging befragt? Darüber abgestimmt, daß ihr jetzt die Nigger rausschmeißen wollt? Geht’s darum?« Seine Stimme klang wie das leise Bullern eines Lastwagens, der einen Berg hinauffuhr. »Scheiße, ihr erzählt mir doch nicht mehr, als ich ohnehin schon weiß: Friede und Liebe, Bruder, und mach ruhig dein Ding,
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