Drop City
Premstar Feuer zu geben, die einen tiefen Zug nahm, und Norm sah voller Besitzerstolz zu, wie sie den fetten Joint an Reba weiterreichte, ehe er sich wieder aufrichtete und im ganzen Raum umsah. »Ich sage euch die schlechte Nachricht zuerst, aber denkt daran, was das I Ging sagt: ›Beharrlichkeit bringt voran‹ – und ihr alle, jeder von euch Brüdern und Schwestern, werdet ja wohl wissen , daß die guten Schwingungen allemal die schlechten vertreiben können und daß wir beharrlich bleiben werden in unserer Mission und unserer Philosophie und all der Liebe und Wahrheit und den wunderbaren Schwingungen von Drop City und den Dingen, die wir hier zustande gebracht haben, trotz der Faschisten, die ständig an unsere Tür klopfen.« Wieder eine Pause. Er wurde leiser. »Nur werden wir nicht mehr hier sein. Nicht auf diesem Grundstück.«
Falls es noch einen Rest Atemluft im Raum gegeben hatte, so war er jetzt weg, glatt zum Fenster hinaus entwichen. Nicht mehr hier? Wovon redete er nur?
»Einen Scheiß werden wir!« Jiminy hüpfte von seinem Stuhl hoch, die Haare wirbelten ihm wie Windmühlenflügel um die Schultern. Er ballte die Faust und ließ sie zu Norms Füßen auf den Tisch krachen, dann fiel er in sich zusammen und zitterte am ganzen Leib. Auch zu ihm war der Tag nicht allzu freundlich gewesen, das sah Star auf einen Blick.
»Es ist vorbei, Leute«, seufzte Norm, und dabei sah er Jiminy nicht einmal an, sondern ließ seinen Blick durch die Menge schweifen, von einem Gesicht zum nächsten, wie von einer Perle der Kette zur nächsten. »Die Bürokraten haben ihren Krieg gewonnen. Die Papiertiger, die Buchhalter, die Schweine . Wir sind bereits Geschichte, und damit findet ihr euch besser schnell ab, denn bald macht sich hier die Spießerwelt breit.«
Jetzt waren alle hellwach. Oder nein: sie waren fuchsteufelswild. »Blödsinn!« rief jemand vom anderen Ende des Raums. »Das lassen wir nicht zu!« »Nein!« pflichtete Maya bei, und ihre Stimme war nicht viel mehr als geformte Luft, die Brille blitzte wie ein Schutzschild im Schein der Deckenlampen, und was sollte das überhaupt mit diesen Lampen, fragte sich Star, wozu warfen sie hier der Elektrizitätsgesellschaft Geld in den Rachen? Tat Norm das mit Absicht? War das möglich?
Und dann erklang eine Stimme, die Star vertraut war, die sie so gut kannte, als würde sie selbst sprechen: »Komm schon, Norm, komm, laß uns nicht im Stich.« Es war Ronnie, der am anderen Ende des Raums saß, mit verkniffenem Gesicht und verschwiemelten Augen. Er sah grauenhaft aus. Als hätte er sich eine Woche lang begraben und dann wieder ausbuddeln lassen. Aber diese Stimme, dieser Tonfall – es lag etwas Verzagtes, Verzweifeltes darin, ein Beben, das sie wiedererkannte von den vielen nächtlichen Ansprachen über Gott, die Sinnlosigkeit des Lebens, das so nervig war, daß man auf dem flachen Land keinen anständigen UKW-Sender hereinbekam, und in diesem Moment begriff sie, wieviel ihm all das hier bedeutete. Ronnie. Pan. Er brauchte Drop City ebensosehr wie sie. »Komm schon, Norm«, nölte er. »Jetzt komm schon.«
Norm senkte eine Minute lang den Kopf, als wäre das Ganze einfach zu mühsam für ihn. Er kratzte sich am Bart und schob sich den Hut aus dem Gesicht, so daß das Pflaster anklagend aufblitzte. »Die Planierraupen werden noch vor Ende der Woche hiersein. Egal, ob die Bullen wiederkommen und mich einsperren oder nicht, denn ich will euch die volle Wahrheit sagen, Leute – die haben eine richterliche Anordnung, das könnt ihr nachlesen, gezeichnet Richter Vincent T. Everard, Euer Ehren und Hochwürden, wonach sie sämtliche Substandard-Gebäude auf diesem Grundstück abreißen dürfen, und das sind ihre Worte, nicht die meinen, denn ich sage: Was heißt denn hier Substandard? «
»Genau!« fiel Mendocino Bill ein, und auf einmal brüllten sie alle durcheinander, ein schwindelerregend wogendes Stimmengebrabbel – nein, sie würden keinen Zentimeter weichen, sondern kämpfen, sich ans Tor ketten –, aber Star konnte immer nur an die kahlen Hügel denken, an das Gewirr aus Jurten und Hütten, überall eingerollte Plastikfolie, und ob sie wohl das Baumhaus verschonten? Würde es ihnen überhaupt auffallen?
Sie verlor kurzfristig den Faden, denn in diesem Moment fand der Joint den Weg zu ihr, sie berührte ihn mit den Lippen, hielt über den nassen Filter Kommunion mit ihren Brüdern und Schwestern und füllte ihre Lungen mit dem dichten, süßen Rauch, der ihre
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