Drop City
Gemeinschaftsjoint hervor, witzigerweise mit rot-weiß-blauen Blättchen gebaut –, »das Zeug hier, das wird da oben so groß wie Redwoods, ich meine, bringt mich zu den Holzfällern !
Mein Onkel Roy – also, ich weiß nicht, wie viele von euch das überhaupt wissen, du bestimmt, Alfredo, und du vielleicht auch, Verbie –, der hat ein Grundstück da oben, ein paar Kilometer von Boynton am Yukon River, der entlegenste Ort der USA, wo man überhaupt mit dem Auto hinkommt, echt das Ende der Welt, sag ich euch, die letzte Grenze, und woraus ist dieser Ort erbaut? Aus Baumstämmen. Begreift ihr das? Aus Baumstämmen! Ich hab da drei Jahre lang gelebt, als ich die Junior-Highschool geschmissen habe, weil ich die ganze bescheuerte, verlogene, verspießerte Plastik-Kapitalisten- Gehirnwäsche einfach nicht mehr ausgehalten hab, und ich weiß, wovon ich rede.« Er riß sich die Brille herunter, wischte sie am Ärmel ab und setzte sie wieder auf, und dann schüttelte er ein gefaltetes, liniertes gelbes Papier auseinander und hielt es ins Licht.
»Seht ihr das hier, Leute? Seht her. Das ist ein Brief von meinem Onkel. Von Onkel Roy persönlich, geschrieben vor zwei Monaten, den trage ich seither ständig bei mir. Wißt ihr, was drinsteht?« Er hielt inne und sah sich im Raum um. »Da steht, er wohnt jetzt in Seattle, bei meinem anderen Onkel, Onkel Norm – nach dem heiße ich –, weil er verdammte zweiundsiebzig Jahre alt ist und die Arthritis ihn so schlimm plagt, daß er beim Schreiben kaum den Stift in den Fingern halten kann. Er geht nicht wieder zurück nach Boynton, nie mehr, und wißt ihr, was das heißt? Daß sein Blockhaus uns gehört, Leute, voller Proviant und bezugsbereit, gutbestückt mit Fallen, Gewehren, Schneeschuhen, sechs Klafter Holz vor der Tür, Töpfe und Pfannen und selbstgezimmerte Möbel, und es wird ein Riesenabenteuer werden, echt! Wir werden ein paar Bäume fällen, denn so macht man das eben – Holz ist gratis da oben, kapiert ihr? gratis –, und dann bauen wir noch vier weitere Häuser und einen Versammlungspavillon, und zwar bauen wir direkt am Fluß, weil die Lachse diesen Fluß raufziehen, während wir hier reden, und zwar ziehen sie zu Millionen . Steht ihr auf Räucherlachs? Irgendwer hier Appetit auf Räucherlachs? Und die Heidelbeeren. Und die Preiselbeeren. So was habt ihr noch nicht gesehen. Wißt ihr, was wir da essen werden? Wir werden die Natur essen , weil das ein riesiger Selbstbedienungsladen ist. Und es ist niemand da – ich meine, wirklich niemand –, der uns davon abhält.«
Jetzt waren alle auf den Beinen, und es war wie eine Demo, wie ein Konzert, und Star mußte an den Abend denken, als sie Velvet Underground hatte spielen sehen, live in einem Loft in Manhattan, das vollgepackt mit Menschen war – da hatte es dieselbe Erregung, dieselbe Energie gegeben. Ein Stromstoß ging durch den Raum, und er traf auch sie, und jetzt waren die Kopfschmerzen egal und die Bulldozer auch, es war etwas Neues, etwas Unglaubliches, jenseits der Vorstellungskraft und Phantasie von ihnen allen, und als Norm jetzt vom Tisch kletterte, begruben sie ihn in einer Lawine von Händen und Schultern und Haaren, und die Fragen hörten gar nicht mehr auf. Wann? Wo? Wie? Das alles wollten sie wissen, und es redeten so viele Leute auf einmal, daß sie ebensogut verschiedene Sprachen hätten sprechen können. Verbie stand dicht neben Norm, und Jiminy zwängte sich dahinter, mit leuchtenden Augen. Selbst Reba sah fröhlich aus.
»Das sind doch Details!« schrie Norm durch den Tumult. »Kleinliche Details, Leute.« Er setzte sich wieder in Bewegung, verwarf alle realen Ängste und praktischen Bedenken mit einer lässigen Handbewegung. Er hielt Premstar am Arm und führte sie durch das Gedränge in die Küche hinaus und aus der Küche in den dunklen Garten, während er über die Schulter zurückrief wie ein Agitator, der das Podium verläßt: »Das Freudenfeuer! Auf zum Freudenfeuer!«
»Mann, hat’s bei dem ausgehakt, oder was?« fragte irgend jemand, und Star fühlte sich von hinten geschubst. »Ich meine, glaubst du diesen Scheiß?«
Sie sah Marco an, nur ihn, und er betrachtete sie mit rätselhaftem Blick, dabei gingen sie langsam in Richtung Tür, auf den Duft der feuchten Nachtluft zu. Er sah ihr tief in die Augen, dann grinste er und zuckte die Achseln. »Weißt du was?« fragte er, legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte seine Hüfte gegen ihre. »Ich wollte schon immer mal das
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