Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
eigentlicher warst
    du ein teuflischer Mensch! – Und darum wisse: Ich ver-
     urteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens!“
    Georg fühlte sich aus dem Zimmer gejagt, den Schlag,
    mit dem der Vater hinter ihm aufs Bett stürzte, trug er
    noch in den Ohren davon. Auf der Treppe, über deren
    Stufen er wie über eine schiefe Fläche eilte, überrumpel-
     te er seine Bedienerin, die im Begriffe war heraufzuge-
    hen, um die Wohnung nach der Nacht aufzuräumen.
    „Jesus!“ rief sie und verdeckte mit der Schürze das Ge-
    [  ]
    sicht, aber er war schon davon. Aus dem Tor sprang er,
    über die Fahrbahn zum Wasser trieb es ihn. Schon hielt
    er das Geländer fest, wie ein Hungriger die Nahrung. Er
    schwang sich über, als der ausgezeichnete Turner, der er
    in seinen Jugendjahren zum Stolz seiner Eltern gewesen 
    war. Noch hielt er sich mit schwächer werdenden Hän-
    den fest, erspähte zwischen den Geländerstangen einen
    Autoomnibus, der mit Leichtigkeit seinen Fall übertö-
    nen würde, rief leise: „Liebe Eltern, ich habe euch doch
    immer geliebt“, und ließ sich hinabfallen.
    
    In diesem Augenblick ging über die Brücke ein gera-
    dezu unendlicher Verkehr.
    [  ]
    Der Heizer
    Ein Fragment
    Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen
    armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil
    ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm
    bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen
    Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er 
    die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin
    wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht.
    Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor,
    und um ihre Gestalt wehten die freien Lüe.
    „So hoch!“ sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht 
    an das Weggehen dachte, von der immer mehr anschwel-
    lenden Menge der Gepäckträger, die an ihm vorüberzo-
    gen, allmählich bis an das Bordgeländer geschoben.
    Ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt
    flüchtig bekannt geworden war, sagte im Vorübergehen: 
    „Ja, haben Sie denn noch keine Lust, auszusteigen?“
    „Ich bin doch fertig“, sagte Karl, ihn anlachend, und
    hob aus Übermut, und weil er ein starker Junge war,
    seinen Koffer auf die Achsel. Aber wie er über seinen
    Bekannten hinsah, der ein wenig seinen Stock schwen- 
    kend sich schon mit den andern entfernte, merkte er
    [  ]
    bestürzt, daß er seinen eigenen Regenschirm unten im
    Schiff vergessen hatte. Er bat schnell den Bekannten, der
    nicht sehr beglückt schien, um die Freundlichkeit, bei
    seinem Koffer einen Augenblick zu warten, überblickte
     noch die Situation, um sich bei der Rückkehr zurechtzu-
    finden und eilte davon. Unten fand er zu seinem Bedau-
    ern einen Gang, der seinen Weg sehr verkürzt hätte, zum
    erstenmal versperrt, was wahrscheinlich mit der Aus-
    schiffung sämtlicher Passagiere zusammenhing, und muß-
     te sich seinen Weg durch eine Unzahl kleiner Räume,
    über kurze Treppen, die einander immer wieder folgten,
    durch fortwährend abbiegende Korridore, durch ein lee-
    res Zimmer mit einem verlassenen Schreibtisch mühselig
    suchen, bis er sich tatsächlich, da er diesen Weg nur ein-
     oder zweimal und immer in größerer Gesellscha ge-
    gangen war, ganz und gar verirrt hatte. In seiner Ratlo-
    sigkeit und da er keinen Menschen traf und nur immer-
    fort über sich das Scharren der tausend Menschenfüße
    hörte und von der Ferne, wie einen Hauch, das letzte
     Arbeiten der schon eingestellten Maschinen merkte, fing
    er, ohne zu überlegen, an eine beliebige kleine Tür zu
    schlagen an, bei der er in seinem Herumirren stockte.
    „Es ist ja offen“, rief es von innen, und Karl öffnete
    mit ehrlichem Aufatmen die Tür. „Warum schlagen Sie
     so verrückt auf die Tür?“ fragte ein riesiger Mann, kaum
    daß er nach Karl hinsah. Durch irgendeine Oberlichtlu-
    ke fiel ein trübes, oben im Schiff längst abgebrauchtes
    [  ]
    Licht in die klägliche Kabine, in welcher ein Bett, ein
    Schrank, ein Sessel und der Mann knapp nebeneinander,
    wie eingelagert, standen. „Ich habe mich verirrt“, sagte
    Karl, „ich habe es während der Fahrt gar nicht so be-
    merkt, aber es ist ein schrecklich großes Schiff.“ „Ja, da 
    haben Sie recht“, sagte der Mann mit einigem Stolz und
    hörte nicht auf, an dem Schloß eines kleinen Koffers zu
    hantieren, den er mit beiden Händen immer wieder

Weitere Kostenlose Bücher