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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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er sich nicht rühren kann. Aber kann er
    sich rühren oder nicht?“
    Und er stand vollkommen frei und warf die Beine. Er 
    strahlte vor Einsicht.
    Georg stand in einem Winkel, möglichst weit vom
    Vater. Vor einer langen Weile hatte er sich fest entschlos-
    sen, alles vollkommen genau zu beobachten, damit er
    nicht irgendwie auf Umwegen, von hinten her, von oben 
    herab überrascht werden könne. Jetzt erinnerte er sich
    wieder an den längst vergessenen Entschluß und vergaß
    ihn, wie man einen kurzen Faden durch ein Nadelöhr
    zieht.
    „Aber der Freund ist nun doch nicht verraten!“ rief 
    der Vater, und sein hin- und herbewegter Zeigefinger
    bekräigte es. „Ich war sein Vertreter hier am Ort.“
    [  ]
    „Komödiant!“ konnte sich Georg zu rufen nicht ent-
    halten, erkannte sofort den Schaden und biß, nur zu
    spät, – die Augen erstarrt – in seine Zunge, daß er vor
    Schmerz einknickte.
     „Ja, freilich habe ich Komödie gespielt! Komödie!
    Gutes Wort! Welcher andere Trost blieb dem alten ver-
    witweten Vater? Sag – und für den Augenblick der Ant-
    wort sei du noch mein lebender Sohn –, was blieb mir
    übrig, in meinem Hinterzimmer, verfolgt vom ungetreu-
     en Personal, alt bis in die Knochen? Und mein Sohn ging
    im Jubel durch die Welt, schloß Geschäe ab, die ich
    vorbereitet hatte, überpurzelte sich vor Vergnügen und
    ging vor seinem Vater mit dem verschlossenen Gesicht
    eines Ehrenmannes davon! Glaubst du, ich hätte dich
     nicht geliebt, ich, von dem du ausgingst?“
    „Jetzt wird er sich vorbeugen“, dachte Georg, „wenn
    er fiele und zerschmetterte!“ Dieses Wort durchzischte
    seinen Kopf.
    Der Vater beugte sich vor, fiel aber nicht. Da Georg
     sich nicht näherte, wie er erwartet hatte, erhob er sich
    wieder.
    „Bleib, wo du bist, ich brauche dich nicht! Du denkst,
    du hast noch die Kra, hierher zu kommen und hältst
    dich bloß zurück, weil du so willst. Daß du dich nicht
     irrst! Ich bin noch immer der viel Stärkere. Allein hätte
    ich vielleicht zurückweichen müssen, aber so hat mir die
    Mutter ihre Kra abgegeben, mit deinem Freund habe
    [  ]
    ich mich herrlich verbunden, deine Kundscha habe ich
    hier in der Tasche!“
    „Sogar im Hemd hat er Taschen!“ sagte sich Georg
    und glaubte, er könne ihn mit dieser Bemerkung in der
    ganzen Welt unmöglich machen. Nur einen Augenblick 
    dachte er das, denn immerfort vergaß er alles.
    „Häng dich nur in deine Braut ein und komm mir
    entgegen! Ich fege sie dir von der Seite weg, du weißt
    nicht wie!“
    Georg machte Grimassen, als glaube er das nicht. Der 
    Vater nickte bloß, die Wahrheit dessen beteuernd, was er
    sagte, in Georgs Ecke hin.
    „Wie hast du mich doch heute unterhalten, als du
    kamst und fragtest, ob du deinem Freund von der Verlo-
    bung schreiben sollst. Er weiß doch alles, dummer Jun- 
    ge, er weiß doch alles! Ich schrieb ihm doch, weil du
    vergessen hast, mir das Schreibzeug wegzunehmen. Dar-
    um kommt er schon seit Jahren nicht, er weiß ja alles
    hundertmal besser als du selbst. Deine Briefe zerknüllt
    er ungelesen in der linken Hand, während er in der 
    Rechten meine Briefe zum Lesen sich vorhält!“
    Seinen Arm schwang er vor Begeisterung über dem
    Kopf. „Er weiß alles tausendmal besser!“ rief er.
    „Zehntausendmal!“ sagte Georg, um den Vater zu
    verlachen, aber noch in seinem Munde bekam das Wort 
    einen toternsten Klang.
    „Seit Jahren passe ich schon auf, daß du mit dieser
    [  ]
    Frage kämest! Glaubst du, mich kümmert etwas ande-
    res? Glaubst du, ich lese Zeitungen? Da!“ und er warf
    Georg ein Zeitungsblatt, das irgendwie mit ins Bett ge-
    tragen worden war, zu. Eine alte Zeitung, mit einem
     Georg schon ganz unbekannten Namen.
    „Wie lange hast du gezögert, ehe du reif geworden
    bist! Die Mutter mußte sterben, sie konnte den Freuden-
    tag nicht erleben, der Freund geht zugrunde in seinem
    Rußland, schon vor drei Jahren war er gelb zum Weg-
     werfen, und ich, du siehst ja, wie es mit mir steht. Dafür
    hast du doch Augen!“
    „Du hast mir also aufgelauert!“ rief Georg.
    Mitleidig sagte der Vater nebenbei: „Das wolltest du
    wahrscheinlich früher sagen. Jetzt paßt es ja gar nicht
     mehr.“
    Und lauter: „Jetzt weißt du also, was es noch außer
    dir gab, bisher wußtest du nur von dir! Ein unschuldiges
    Kind warst du ja eigentlich, aber noch

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