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Drucke zu Lebzeiten

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Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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zu-
    drückte, um das Einschnappen des Riegels zu behor-
    chen. „Aber kommen Sie doch herein!“ sagte der Mann 
    weiter, „Sie werden doch nicht draußen stehn!“ „Störe
    ich nicht?“ fragte Karl. „Ach, wie werden Sie denn stö-
    ren!“ „Sind Sie ein Deutscher?“ suchte sich Karl noch
    zu versichern, da er viel von den Gefahren gehört hatte,
    welche besonders von Irländern den Neuankömmlingen 
    in Amerika drohen. „Bin ich, bin ich“, sagte der Mann.
    Karl zögerte noch. Da faßte unversehens der Mann die
    Türklinke und schob mit der Türe, die er rasch schloß,
    Karl zu sich herein. „Ich kann es nicht leiden, wenn man
    mir vom Gang hereinschaut“, sagte der Mann, der wie- 
    der an seinem Koffer arbeitete, „da läu jeder vorbei
    und schaut herein, das soll der Zehnte aushalten!“ „Aber
    der Gang ist doch ganz leer“, sagte Karl, der unbehag-
    lich an den Bettpfosten gequetscht dastand. „Ja jetzt“,
    sagte der Mann. „Es handelt sich doch um jetzt“, dachte 
    Karl, „mit dem Mann ist schwer zu reden.“ „Legen Sie
    sich doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz“, sagte der
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    Mann. Karl kroch, so gut es ging, hinein und lachte
    dabei laut über den ersten vergeblichen Versuch, sich
    hinüberzuschwingen. Kaum war er aber im Bett, rief er:
    „Gotteswillen, ich habe ja ganz meinen Koffer verges-
     sen!“ „Wo ist er denn?“ „Oben auf dem Deck, ein Be-
    kannter gibt acht auf ihn. Wie heißt er nur?“ Und er zog
    aus einer Geheimtasche, die ihm seine Mutter für die
    Reise im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte.
    „Butterbaum, Franz Butterbaum.“ „Haben Sie den
     Koffer sehr nötig?“ „Natürlich.“ „Ja, warum haben Sie
    ihn dann einem fremden Menschen gegeben?“ „Ich hat-
    te meinen Regenschirm unten vergessen und bin gelau-
    fen, ihn zu holen, wollte aber den Koffer nicht mit-
    schleppen. Dann habe ich mich auch noch verirrt.“ „Sie
     sind allein? Ohne Begleitung?“ „Ja, allein.“ „Ich sollte
    mich vielleicht an diesen Mann halten“, ging es Karl
    durch den Kopf, „wo finde ich gleich einen besseren
    Freund.“ „Und jetzt haben Sie auch noch den Koffer
    verloren. Vom Regenschirm rede ich gar nicht.“ Und der
     Mann setzte sich auf den Sessel, als habe Karls Sache
    jetzt einiges Interesse für ihn gewonnen. „Ich glaube
    aber, der Koffer ist noch nicht verloren.“ „Glauben
    macht selig“, sagte der Mann und kratzte sich kräig in
    seinem dunklen, kurzen, dichten Haar, „auf dem Schiff
     wechseln mit den Hafenplätzen auch die Sitten. In Ham-
    burg hätte Ihr Butterbaum den Koffer vielleicht be-
    wacht, hier ist höchstwahrscheinlich von beiden keine
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    Spur mehr.“ „Da muß ich aber doch gleich hinauf-
    schaun“, sagte Karl und sah sich um, wie er hinauskom-
    men könnte. „Bleiben Sie nur“, sagte der Mann und
    stieß ihn mit einer Hand gegen die Brust, geradezu rauh,
    ins Bett zurück. „Warum denn?“ fragte Karl ärgerlich. 
    „Weil es keinen Sinn hat“, sagte der Mann, „in einem
    kleinen Weilchen gehe ich auch, dann gehen wir zusam-
    men. Entweder ist der Koffer gestohlen, dann ist keine
    Hilfe, oder der Mann hat ihn stehen gelassen, dann wer-
    den wir ihn, bis das Schiff ganz entleert ist, desto besser 
    finden. Ebenso auch Ihren Regenschirm.“ „Kennen Sie
    sich auf dem Schiff aus?“ fragte Karl mißtrauisch und es
    schien ihm, als hatte der sonst überzeugende Gedanke,
    daß auf dem leeren Schiff seine Sachen am besten zu
    finden sein würden, einen verborgenen Haken. „Ich bin 
    doch Schiffsheizer“, sagte der Mann. „Sie sind Schiffs-
    heizer!“ rief Karl freudig, als überstiege das alle Erwar-
    tungen, und sah, den Ellbogen aufgestützt, den Mann
    näher an. „Gerade vor der Kammer, wo ich mit den
    Slowaken geschlafen habe, war eine Luke angebracht, 
    durch die man in den Maschinenraum sehen konnte.“
    „Ja, dort habe ich gearbeitet“, sagte der Heizer. „Ich
    habe mich immer so für Technik interessiert“, sagte
    Karl, der in einem bestimmten Gedankengang blieb,
    „und ich wäre sicher später Ingenieur geworden, wenn 
    ich nicht nach Amerika hätte fahren müssen.“ „Warum
    haben Sie denn fahren müssen?“ „Ach was!“ sagte Karl
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    und warf die ganze Geschichte mit der Hand weg. Dabei
    sah er lächelnd den Heizer an, als bitte er ihn selbst für
    das Nichteingestandene um seine

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