Drucke zu Lebzeiten
würde.
Hatte er wirklich Lust, das warme, mit ererbten Möbeln
gemütlich ausgestattete Zimmer in eine Höhle verwan-
deln zu lassen, in der er dann freilich nach allen Rich-
tungen ungestört würde kriechen können, jedoch auch
unter gleichzeitigem, schnellen, gänzlichen Vergessen
seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt
schon nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem
nicht gehörte Stimme der Mutter hatte ihn aufgerüttelt.
Nichts sollte entfernt werden; alles mußte bleiben; die
guten Einwirkungen der Möbel auf seinen Zustand
konnte er nicht entbehren; und wenn die Möbel ihn hin-
derten, das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so
war es kein Schaden, sondern ein großer Vorteil.
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie
hatte sich, allerdings nicht ganz unberechtigt, ange-
wöhnt, bei Besprechung der Angelegenheiten Gregors
[ ]
als besonders Sachverständige gegenüber den Eltern auf-
zutreten, und so war auch jetzt der Rat der Mutter für
die Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht
nur des Kastens und des Schreibtisches, an die sie zuerst
allein gedacht hatte, sondern auf der Entfernung sämtli-
cher Möbel, mit Ausnahme des unentbehrlichen Kana-
pees, zu bestehen. Es war natürlich nicht nur kindlicher
Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und
schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser
Forderung bestimmte; sie hatte doch auch tatsächlich
beobachtet, daß Gregor viel Raum zum Kriechen
brauchte, dagegen die Möbel, soweit man sehen konnte,
nicht im geringsten benützte. Vielleicht aber spielte auch
der schwärmerische Sinn der Mädchen ihres Alters mit,
der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und
durch den Grete jetzt sich dazu verlocken ließ, die Lage
Gregors noch schreckenerregender machen zu wollen,
um dann noch mehr als bis jetzt für ihn leisten zu kön-
nen. Denn in einen Raum, in dem Gregor ganz allein die
leeren Wände beherrschte, würde wohl kein Mensch au-
ßer Grete jemals einzutreten sich getrauen.
Und so ließ sie sich von ihrem Entschlüsse durch die
Mutter nicht abbringen, die auch in diesem Zimmer vor
lauter Unruhe unsicher schien, bald verstummte und der
Schwester nach Kräen beim Hinausschaffen des Ka-
stens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall
noch entbehren, aber schon der Schreibtisch mußte blei-
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ben. Und kaum hatten die Frauen mit dem Kasten, an
den sie sich ächzend drückten, das Zimmer verlassen, als
Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstieß, um
zu sehen, wie er vorsichtig und möglichst rücksichtsvoll
eingreifen könnte. Aber zum Unglück war es gerade die
Mutter, welche zuerst zurückkehrte, während Grete im
Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein
hin und her schwang, ohne ihn natürlich von der Stelle
zu bringen. Die Mutter aber war Gregors Anblick nicht
gewöhnt, er hätte sie krank machen können, und so eilte
Gregor erschrocken im Rückwärtslauf bis an das andere
Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhin-
dern, daß das Leintuch vorne ein wenig sich bewegte.
Das genügte, um die Mutter aufmerksam zu machen. Sie
stockte, stand einen Augenblick still und ging dann zu
Grete zurück.
Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, daß ja
nichts Außergewöhnliches geschehe, sondern nur ein
paar Möbel umgestellt würden, wirkte doch, wie er sich
bald eingestehen mußte, dieses Hin- und Hergehen der
Frauen, ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der Möbel auf
dem Boden, wie ein großer, von allen Seiten genährter
Trubel auf ihn, und er mußte sich, so fest er Kopf und
Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden drück-
te, unweigerlich sagen, daß er das Ganze nicht lange
aushalten werde. Sie räumten ihm sein Zimmer aus; nah-
men ihm alles, was ihm lieb war; den Kasten, in dem die
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Laubsäge und andere Werkzeuge lagen, hatten sie schon
hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest
eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsaka-
demiker, als Bürgerschüler, ja sogar schon als Volks-
schüler seine Aufgaben geschrieben hatte, – da hatte er
wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu prüfen,
welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er übri-
gens fast vergessen hatte, denn vor Erschöpfung arbeite-
ten sie schon stumm, und man hörte nur das
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