Drucke zu Lebzeiten
öers zu wiederholen,
teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange
nicht beschäigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht
alles gleich beim ersten Mal verstand –, daß trotz allen
Unglücks ein allerdings ganz kleines Vermögen aus der
alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht angerühr-
[ ]
ten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwach-
sen lassen. Außerdem aber war das Geld, das Gregor
allmonatlich nach Hause gebracht hatte – er selbst hatte
nur ein paar Gulden für sich behalten –, nicht vollständig
aufgebraucht worden und hatte sich zu einem kleinen
Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner Türe, nickte
eifrig, erfreut über diese unerwartete Vorsicht und Spar-
samkeit. Eigentlich hätte er ja mit diesen überschüssigen
Geldern die Schuld des Vaters gegenüber dem Chef wei-
ter abgetragen haben können, und jener Tag, an dem er
diesen Posten hätte loswerden können, wäre weit näher
gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es
der Vater eingerichtet hatte.
Nun genügte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um
die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es
genügte vielleicht, um die Familie ein, höchstens zwei
Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also bloß
eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen dure,
und die für den Notfall zurückgelegt werden mußte; das
Geld zum Leben aber mußte man verdienen. Nun war
aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der
schon fünf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jeden-
falls nicht viel zutrauen dure; er hatte in diesen fünf
Jahren, welche die ersten Ferien seines mühevollen und
doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und
war dadurch recht schwerfällig geworden. Und die alte
Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asth-
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ma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon
Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in
Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster
verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen,
die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und
der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu gönnen war,
die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu
schlafen, in der Wirtscha mitzuhelfen, an ein paar be-
scheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen und vor al-
lem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Not-
wendigkeit des Geldverdienens kam, ließ zuerst immer
Gregor die Türe los und warf sich auf das neben der Tür
befindliche kühle Ledersopha, denn ihm war ganz heiß
vor Beschämung und Trauer.
O lag er dort die ganzen langen Nächte über, schlief
keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf
dem Leder. Oder er scheute nicht die große Mühe, einen
Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbrü-
stung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt,
sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner
Erinnerung an das Befreiende, das früher für ihn darin
gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tatsäch-
lich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig ent-
fernten Dinge immer undeutlicher; das gegenüberlie-
gende Krankenhaus, dessen nur allzu häufigen Anblick
er früher verflucht hatte, bekam er überhaupt nicht mehr
zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewußt hätte, daß
[ ]
er in der stillen, aber völlig städtischen Charlottenstraße
wohnte, hätte er glauben können, von seinem Fenster
aus in eine Einöde zu schauen, in welcher der graue
Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich ver-
einigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester
sehen müssen, daß der Sessel beim Fenster stand, als sie
schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufgeräumt
hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja
sogar von nun ab den inneren Fensterflügel offen ließ.
Hätte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr
für alles danken können, was sie für ihn machen mußte,
er hätte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er
darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit
des Ganzen möglichst zu verwischen, und je längere Zeit
verging, desto besser gelang es ihr natürlich auch, aber
auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel genau-
er. Schon ihr Eintritt war für ihn schrecklich. Kaum war
sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die
Türe zu
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