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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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schließen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem
     den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, gerade-
    wegs zum Fenster und riß es, als ersticke sie fast, mit
    hastigen Händen auf, blieb auch, selbst wenn es noch so
    kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit
    diesem Laufen und Lärmen erschreckte sie Gregor täg-
     lich zweimal; die ganze Zeit über zitterte er unter dem
    Kanapee und wußte doch sehr gut, daß sie ihn gewiß
    gerne damit verschont hätte, wenn es ihr nur möglich
    [  ]
    gewesen wäre, sich in einem Zimmer, in dem sich Gre-
    gor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
    Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors
    Verwandlung vergangen, und es war doch schon für die
    Schwester kein besonderer Grund mehr, über Gregors 
    Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig
    früher als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbe-
    weglich und so recht zum Erschrecken aufgestellt, aus
    dem Fenster schaute. Es wäre für Gregor nicht unerwar-
    tet gewesen, wenn sie nicht eingetreten wäre, da er sie 
    durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu
    öffnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar
    zurück und schloß die Tür; ein Fremder hätte geradezu
    denken können, Gregor habe ihr aufgelauert und habe
    sie beißen wollen. Gregor versteckte sich natürlich so- 
    fort unter dem Kanapee, aber er mußte bis zum Mittag
    warten, ehe die Schwester wiederkam, und sie schien viel
    unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, daß ihr sein
    Anblick noch immer unerträglich war und ihr auch wei-
    terhin unerträglich bleiben müsse, und daß sie sich wohl 
    sehr überwinden mußte, vor dem Anblick auch nur der
    kleinen Partie seines Körpers nicht davonzulaufen, mit
    der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch
    diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf sei-
    nem Rücken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden 
    – das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer
    solchen Weise an, daß er nun gänzlich verdeckt war, und
    [  ]
    daß die Schwester, selbst wenn sie sich bückte, ihn nicht
    sehen konnte. Wäre dieses Leintuch ihrer Meinung nach
    nicht nötig gewesen, dann hätte sie es ja entfernen kön-
    nen, denn daß es nicht zum Vergnügen Gregors gehören
     konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar
    genug, aber sie ließ das Leintuch, so wie es war, und
    Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu
    haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Lein-
    tuch ein wenig lüete, um nachzusehen, wie die Schwe-
     ster die neue Einrichtung aufnahm.
    In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern
    nicht über sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und
    er hörte o, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester
    völlig anerkannten, während sie sich bisher häufig über
     die Schwester geärgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas
    nutzloses Mädchen erschienen war. Nun aber warteten
    o beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zim-
    mer, während die Schwester dort aufräumte, und kaum
    war sie herausgekommen, mußte sie ganz genau erzäh-
     len, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen
    hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob viel-
    leicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mut-
    ter übrigens wollte verhältnismäßig bald Gregor besu-
    chen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst
     mit Vernungründen zurück, denen Gregor sehr auf-
    merksam zuhörte, und die er vollständig billigte. Später
    aber mußte man sie mit Gewalt zurückhalten, und wenn
    [  ]
    sie dann rief: „Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja mein
    unglücklicher Sohn! Begrei ihr es denn nicht, daß ich
    zu ihm muß?“, dann dachte Gregor, daß es vielleicht
    doch gut wäre, wenn die Mutter hereinkäme, nicht jeden
    Tag natürlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie 
    verstand doch alles viel besser als die Schwester, die
    trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im
    letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn
    eine so schwere Aufgabe übernommen hatte.
    Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald 
    in Erfüllung. Während des Tages wollte Gregor schon
    aus Rücksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster
    zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadrat-
    metern des Fußbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen
    ertrug er schon während der Nacht schwer,

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