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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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das Essen 
    machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergnügen,
    und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an,
    kreuz und quer über Wände und Plafond zu kriechen.
    Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz
    anders, als das Liegen auf dem Fußboden; man atmete 
    freier; ein leichtes Schwingen ging durch den Körper;
    und in der fast glücklichen Zerstreutheit, in der sich
    Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, daß er
    zu seiner eigenen Überraschung sich losließ und auf den
    Boden klatschte. Aber nun hatte er natürlich seinen 
    Körper ganz anders in der Gewalt als früher und beschä-
    digte sich selbst bei einem so großen Falle nicht. Die
    [  ]
    Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung,
    die Gregor für sich gefunden hatte – er hinterließ ja auch
    beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes –,
    und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Krie-
     chen in größtem Ausmaße zu ermöglichen und die Mö-
    bel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und
    den Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht
    imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht
    um Hilfe zu bitten; das Dienstmädchen hätte ihr ganz
     gewiß nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnjährige
    Mädchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der früheren
    Köchin aus, hatte aber um die Vergünstigung gebeten,
    die Küche unauörlich versperrt halten zu dürfen und
    nur auf besonderen Anruf öffnen zu müssen; so blieb
     der Schwester also nichts übrig, als einmal in Abwesen-
    heit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erreg-
    ter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber
    an der Tür vor Gregors Zimmer. Zuerst sah natürlich die
    Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war;
     dann erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in
    größter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten
    gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zufällig
    über das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor un-
    terließ auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren;
     er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen,
    und war nur froh, daß sie nun doch gekommen war.
    „Komm nur, man sieht ihn nicht“, sagte die Schwester,
    [  ]
    und offenbar führte sie die Mutter an der Hand. Gregor
    hörte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immer-
    hin schweren alten Kasten von seinem Platze rückten,
    und wie die Schwester immerfort den größten Teil der
    Arbeit für sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen 
    der Mutter zu hören, welche fürchtete, daß sie sich über-
    anstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach
    schon viertelstündiger Arbeit sagte die Mutter, man solle
    den Kasten doch lieber hier lassen, denn erstens sei er zu
    schwer, sie würden vor Ankun des Vaters nicht fertig 
    werden und mit dem Kasten in der Mitte des Zimmers
    Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es
    doch gar nicht sicher, daß Gregor mit der Entfernung
    der Möbel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das Gegen-
    teil der Fall zu sein; ihr bedrücke der Anblick der leeren 
    Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch
    Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zim-
    mermöbel längst gewohnt sei und sich deshalb im leeren
    Zimmer verlassen fühlen werde. „Und ist es dann nicht
    so“, schloß die Mutter ganz leise, wie sie überhaupt fast 
    flüsterte, als wolle sie vermeiden, daß Gregor, dessen
    genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den
    Klang der Stimme höre, denn daß er die Worte nicht
    verstand, davon war sie überzeugt, „und ist es nicht so,
    als ob wir durch die Entfernung der Möbel zeigten, daß 
    wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn
    rücksichtslos sich selbst überlassen? Ich glaube, es wäre
    [  ]
    das beste, wir suchen das Zimmer genau in dem Zustand
    zu erhalten, in dem es früher war, damit Gregor, wenn
    er wieder zu uns zurückkommt, alles unverändert findet
    und umso leichter die Zwischenzeit vergessen kann.“
     Beim Anhören dieser Worte der Mutter erkannte Gre-
    gor, daß der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen
    Ansprache, verbunden mit dem einförmigen Leben in-
    mitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen
    Verstand hatte verwirren müssen, denn anders konnte er
     es sich nicht erklären, daß er ernstha darnach hatte
    verlangen können, daß sein Zimmer ausgeleert

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