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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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auf der Kredenz hatte er sich 
    die Taschen gefüllt und warf nun, ohne vorläufig scharf
    zu zielen, Apfel für Apfel. Diese kleinen roten Äpfel
    rollten wie elektrisiert auf dem Boden herum und stie-
    ßen aneinander. Ein schwach geworfener Apfel streie
    Gregors Rücken, glitt aber unschädlich ab. Ein ihm so- 
    fort nachfliegender drang dagegen förmlich in Gregors
    Rücken ein; Gregor wollte sich weiterschleppen, als
    könne der überraschende unglaubliche Schmerz mit dem
    Ortswechsel vergehen; doch fühlte er sich wie festgena-
    gelt und streckte sich in vollständiger Verwirrung aller 
    Sinne. Nur mit dem letzten Blick sah er noch, wie die
    Tür seines Zimmers aufgerissen wurde, und vor der
    schreienden Schwester die Mutter hervoreilte, im Hemd,
    denn die Schwester hatte sie entkleidet, um ihr in der
    Ohnmacht Atemfreiheit zu verschaffen, wie dann die 
    Mutter auf den Vater zulief und ihr auf dem Weg die
    aufgebundenen Röcke einer nach dem anderen zu Boden
    glitten, und wie sie stolpernd über die Röcke auf den
    Vater eindrang und ihn umarmend, in gänzlicher Ver-
    einigung mit ihm – nun versagte aber Gregors Sehkra 
    schon – die Hände an des Vaters Hinterkopf um Scho-
    nung von Gregors Leben bat.
    [  ]
    III.
    Die schwere Verwundung Gregors, an der er über einen
    Monat litt – der Apfel blieb, da ihn niemand zu entfer-
    nen wagte, als sichtbares Andenken im Fleische sitzen –,
     schien selbst den Vater daran erinnert zu haben, daß
    Gregor trotz seiner gegenwärtigen traurigen und ekel-
    haen Gestalt ein Familienmitglied war, das man nicht
    wie einen Feind behandeln dure, sondern dem gegen-
    über es das Gebot der Familienpflicht war, den Wider-
     willen hinunterzuschlucken und zu dulden, nichts als zu
    dulden.
    Und wenn nun auch Gregor durch seine Wunde an
    Beweglichkeit wahrscheinlich für immer verloren hatte
    und vorläufig zur Durchquerung seines Zimmers wie ein
     alter Invalide lange, lange Minuten brauchte – an das
    Kriechen in der Höhe war nicht zu denken –, so bekam
    er für diese Verschlimmerung seines Zustandes einen sei-
    ner Meinung nach vollständig genügenden Ersatz da-
    durch, daß immer gegen Abend die Wohnzimmertür, die
     er schon ein bis zwei Stunden vorher scharf zu beobach-
    ten pflegte, geöffnet wurde, so daß er, im Dunkel seines
    Zimmers liegend, vom Wohnzimmer aus unsichtbar, die
    ganze Familie beim beleuchteten Tische sehen und ihre
    Reden, gewissermaßen mit allgemeiner Erlaubnis, also
     ganz anders als früher, anhören dure.
    [  ]
    Freilich waren es nicht mehr die lebhaen Unterhal-
    tungen der früheren Zeiten, an die Gregor in den kleinen
    Hotelzimmern stets mit einigem Verlangen gedacht hat-
    te, wenn er sich müde in das feuchte Bettzeug hatte
    werfen müssen. Es ging jetzt meist nur sehr still zu. Der 
    Vater schlief bald nach dem Nachtessen in seinem Sessel
    ein; die Mutter und Schwester ermahnten einander zur
    Stille; die Mutter nähte, weit unter das Licht vorgebeugt,
    feine Wäsche für ein Modengeschä; die Schwester, die
    eine Stellung als Verkäuferin angenommen hatte, lernte 
    am Abend Stenographie und Französisch, um vielleicht
    später einmal einen besseren Posten zu erreichen.
    Manchmal wachte der Vater auf, und als wisse er gar
    nicht, daß er geschlafen habe, sagte er zur Mutter: „Wie
    lange du heute schon wieder nähst!“ und schlief sofort 
    wieder ein, während Mutter und Schwester einander
    müde zulächelten.
    Mit einer Art Eigensinn weigerte sich der Vater auch,
    zu Hause seine Dieneruniform abzulegen; und während
    der Schlafrock nutzlos am Kleiderhaken hing, schlum- 
    merte der Vater vollständig angezogen auf seinem Platz,
    als sei er immer zu seinem Dienste bereit und warte auch
    hier auf die Stimme des Vorgesetzten. Infolgedessen ver-
    lor die gleich anfangs nicht neue Uniform trotz aller
    Sorgfalt von Mutter und Schwester an Reinlichkeit, und 
    Gregor sah o ganze Abende lang auf dieses über und
    über fleckige, mit seinen stets geputzten Goldknöpfen
    [  ]
    leuchtende Kleid, in dem der alte Mann höchst unbe-
    quem und doch ruhig schlief.
    Sobald die Uhr zehn schlug, suchte die Mutter durch
    leise Zuspräche den Vater zu wecken und dann zu über-
     reden, ins Bett zu gehen, denn hier war es doch kein
    richtiger Schlaf und diesen hatte der Vater, der um sechs
    Uhr seinen Dienst antreten mußte,

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