Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
die
     Pferde an ihren Plätzen. Kleider, Pelz und Tasche waren
    schnell zusammengera; mit dem Ankleiden wollte ich
    mich nicht aualten; beeilten sich die Pferde wie auf der
    Herfahrt, sprang ich ja gewissermaßen aus diesem Bett
    in meines. Gehorsam zog sich ein Pferd vom Fenster
     zurück; ich warf den Ballen in den Wagen; der Pelz flog
    zu weit, nur mit einem Ärmel hielt er sich an einem
    Haken fest. Gut genug. Ich schwang mich aufs Pferd.
    [  ]
    Die Riemen lose schleifend, ein Pferd kaum mit dem
    andern verbunden, der Wagen irrend hinterher, der Pelz
    als letzter im Schnee. „Munter!“ sagte ich, aber munter
    ging’s nicht; langsam wie alte Männer zogen wir durch
    die Schneewüste; lange klang hinter uns der neue, aber 
    irrtümliche Gesang der Kinder:
    „Freuet Euch, Ihr Patienten,
    Der Arzt ist Euch ins Bett gelegt!“
    Niemals komme ich so nach Hause; meine blühende
    Praxis ist verloren; ein Nachfolger bestiehlt mich, aber 
    ohne Nutzen, denn er kann mich nicht ersetzen; in mei-
    nem Hause wütet der ekle Pferdeknecht; Rosa ist sein
    Opfer; ich will es nicht ausdenken. Nackt, dem Froste
    dieses unglückseligsten Zeitalters ausgesetzt, mit irdi-
    schem Wagen, unirdischen Pferden, treibe ich mich alter 
    Mann umher. Mein Pelz hängt hinten am Wagen, ich
    kann ihn aber nicht erreichen, und keiner aus dem be-
    weglichen Gesindel der Patienten rührt den Finger. Be-
    trogen! Betrogen! Einmal dem Fehlläuten der Nacht-
    glocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen.
    
    [  ]
    Auf der Galerie
    Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreite-
    rin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem
    unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden
     erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung
    im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde
    schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend,
    und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden
    Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die im-
     merfort weiter sich öffnende graue Zukun sich fort-
    setzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellen-
    den Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampf-
    hämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebe-
    sucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte
     in die Manege, riefe das: Halt! durch die Fanfaren des
    immer sich anpassenden Orchesters.
    Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und
    rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die
    stolzen Livrierten vor ihr öffnen; der Direktor, hinge-
     bungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entge-
    genatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt,
    als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf
    gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann,
    das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbst-
     überwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit
    [  ]
    offenem Munde einherläu; die Sprünge der Reiterin
    scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum be-
    greifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen ver-
    sucht; die reifenhaltenden Reitknechte wütend zu pein-
    lichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto- 
    mortale das Orchester mit aufgehobenen Händen be-
    schwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom
    zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küßt und keine
    Huldigung des Publikums für genügend erachtet; wäh-
    rend sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspit- 
    zen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zu-
    rückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen
    Zirkus teilen will – da dies so ist, legt der Galeriebesu-
    cher das Gesicht auf die Brüstung und, im Schlußmarsch
    wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, 
    ohne es zu wissen.
    Ein altes Blatt
    Es ist, als wäre viel vernachlässigt worden in der Vertei-
    digung unseres Vaterlandes. Wir haben uns bisher nicht
    darum gekümmert und sind unserer Arbeit nachgegan- 
    gen; die Ereignisse der letzten Zeit machen uns aber
    Sorgen.
    [  ]
    Ich habe eine Schusterwerkstatt auf dem Platz vor
    dem kaiserlichen Palast. Kaum öffne ich in der Mor-
    gendämmerung meinen Laden, sehe ich schon die Ein-
    gänge aller hier einlaufenden Gassen von Bewaffneten
     besetzt. Es sind aber nicht unsere Soldaten, sondern
    offenbar Nomaden aus dem Norden. Auf eine mir un-
    begreifliche Weise sind sie bis in die Hauptstadt gedrun-
    gen, die doch

Weitere Kostenlose Bücher