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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Fahrt das Mädchen
    als Kaufpreis hinzugeben.“ „Munter!“ sagt er; klatscht
    [  ]
    in die Hände; der Wagen wird fortgerissen, wie Holz in
    die Strömung; noch höre ich, wie die Tür meines Hauses
    unter dem Ansturm des Knechtes birst und splittert,
    dann sind mir Augen und Ohren von einem zu allen
    Sinnen gleichmäßig dringenden Sausen erfüllt. Aber 
    auch das nur einen Augenblick, denn, als öffne sich un-
    mittelbar vor meinem Hoor der Hof meines Kranken,
    bin ich schon dort; ruhig stehen die Pferde; der Schnee-
    fall hat aufgehört; Mondlicht ringsum; die Eltern des
    Kranken eilen aus dem Haus; seine Schwester hinter 
    ihnen; man hebt mich fast aus dem Wagen; den verwirr-
    ten Reden entnehme ich nichts; im Krankenzimmer ist
    die Lu kaum atembar; der vernachlässigte Herdofen
    raucht; ich werde das Fenster aufstoßen; zuerst aber will
    ich den Kranken sehen. Mager, ohne Fieber, nicht kalt, 
    nicht warm, mit leeren Augen, ohne Hemd hebt sich der
    Junge unter dem Federbett, hängt sich an meinen Hals,
    flüstert mir ins Ohr: „Doktor, laß mich sterben.“ Ich
    sehe mich um; niemand hat es gehört; die Eltern stehen
    stumm vorgebeugt und erwarten mein Urteil; die 
    Schwester hat einen Stuhl für meine Handtasche ge-
    bracht. Ich öffne die Tasche und suche unter meinen
    Instrumenten; der Junge tastet immerfort aus dem Bett
    nach mir hin, um mich an seine Bitte zu erinnern; ich
    fasse eine Pinzette, prüfe sie im Kerzenlicht und lege sie 
    wieder hin. „Ja“, denke ich lästernd, „in solchen Fällen
    helfen die Götter, schicken das fehlende Pferd, fügen der
    [  ]
    Eile wegen noch ein zweites hinzu, spenden zum Über-
    maß noch den Pferdeknecht – “ Jetzt erst fällt mir wieder
    Rosa ein; was tue ich, wie rette ich sie, wie ziehe ich sie
    unter diesem Pferdeknecht hervor, zehn Meilen von ihr
     entfernt, unbeherrschbare Pferde vor meinem Wagen?
    Diese Pferde, die jetzt die Riemen irgendwie gelockert
    haben; die Fenster, ich weiß nicht wie, von außen auf-
    stoßen; jedes durch ein Fenster den Kopf stecken und,
    unbeirrt durch den Aufschrei der Familie, den Kranken
     betrachten. „Ich fahre gleich wieder zurück“, denke ich,
    als forderten mich die Pferde zur Reise auf, aber ich
    dulde es, daß die Schwester, die mich durch die Hitze
    betäubt glaubt, den Pelz mir abnimmt. Ein Glas Rum
    wird mir bereitgestellt, der Alte klop mir auf die Schul-
     ter, die Hingabe seines Schatzes rechtfertigt diese Ver-
    traulichkeit. Ich schüttle den Kopf; in dem engen Denk-
    kreis des Alten würde mir übel; nur aus diesem Grunde
    lehne ich es ab zu trinken. Die Mutter steht am Bett und
    lockt mich hin; ich folge und lege, während ein Pferd
     laut zur Zimmerdecke wiehert, den Kopf an die Brust
    des Jungen, der unter meinem nassen Bart erschauert. Es
    bestätigt sich, was ich weiß: der Junge ist gesund, ein
    wenig schlecht durchblutet, von der sorgenden Mutter
    mit Kaffee durchtränkt, aber gesund und am besten mit
     einem Stoß aus dem Bett zu treiben. Ich bin kein Welt-
    verbesserer und lasse ihn liegen. Ich bin vom Bezirk
    angestellt und tue meine Pflicht bis zum Rand, bis dort-
    [  ]
    hin, wo es fast zu viel wird. Schlecht bezahlt, bin ich
    doch freigebig und hilfsbereit gegenüber den Armen.
    Noch für Rosa muß ich sorgen, dann mag der Junge
    recht haben und auch ich will sterben. Was tue ich hier in
    diesem endlosen Winter! Mein Pferd ist verendet, und 
    da ist niemand im Dorf, der mir seines leiht. Aus dem
    Schweinestall muß ich mein Gespann ziehen; wären es
    nicht zufällig Pferde, müßte ich mit Säuen fahren. So ist
    es. Und ich nicke der Familie zu. Sie wissen nichts da-
    von, und wenn sie es wüßten, würden sie es nicht glau- 
    ben. Rezepte schreiben ist leicht, aber im übrigen sich
    mit den Leuten verständigen, ist schwer. Nun, hier wäre
    also mein Besuch zu Ende, man hat mich wieder einmal
    unnötig bemüht, daran bin ich gewöhnt, mit Hilfe mei-
    ner Nachtglocke martert mich der ganze Bezirk, aber 
    daß ich diesmal auch noch Rosa hingeben mußte, dieses
    schöne Mädchen, das jahrelang, von mir kaum beachtet,
    in meinem Hause lebte – dieses Opfer ist zu groß, und
    ich muß es mir mit Spitzfindigkeiten aushilfsweise in
    meinem Kopf irgendwie zurechtlegen, um nicht auf die- 
    se Familie loszufahren, die mir ja beim besten Willen
    Rosa nicht zurückgeben kann. Als ich aber meine

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