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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Bankettisch hinweg den 
    Freund zu treffen, fehlt es nicht; und vielen ist Macedo-
    nien zu eng, so daß sie Philipp, den Vater, verfluchen –
    [  ]
    aber niemand, niemand kann nach Indien führen. Schon
    damals waren Indiens Tore unerreichbar, aber ihre Rich-
    tung war durch das Königsschwert bezeichnet. Heute
    sind die Tore ganz anderswohin und weiter und höher
     vertragen; niemand zeigt die Richtung; viele halten
    Schwerter, aber nur, um mit ihnen zu fuchteln; und der
    Blick, der ihnen folgen will, verwirrt sich.
    Vielleicht ist es deshalb wirklich das Beste, sich, wie es
    Bucephalus getan hat, in die Gesetzbücher zu versenken.
     Frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters,
    bei stiller Lampe, fern dem Getöse der Alexander-
    schlacht, liest und wendet er die Blätter unserer alten
    Bücher.
    Ein Landarzt
     Ich war in großer Verlegenheit: eine dringende Reise
    stand mir bevor; ein Schwerkranker wartete auf mich in
    einem zehn Meilen entfernten Dorfe; starkes Schneege-
    stöber füllte den weiten Raum zwischen mir und ihm;
    einen Wagen hatte ich, leicht, großräderig, ganz wie er
     für unsere Landstraßen taugt; in den Pelz gepackt, die
    Instrumententasche in der Hand, stand ich reisefertig
    schon auf dem Hofe; aber das Pferd fehlte, das Pferd.
    Mein eigenes Pferd war in der letzten Nacht, infolge der
    [  ]
    Überanstrengung in diesem eisigen Winter, verendet;
    mein Dienstmädchen lief jetzt im Dorf umher, um ein
    Pferd geliehen zu bekommen; aber es war aussichtslos,
    ich wußte es, und immer mehr vom Schnee überhäu,
    immer unbeweglicher werdend, stand ich zwecklos da. 
    Arn Tor erschien das Mädchen, allein, schwenkte die
    Laterne; natürlich, wer leiht jetzt sein Pferd her zu sol-
    cher Fahrt? Ich durchmaß noch einmal den Hof; ich
    fand keine Möglichkeit; zerstreut, gequält stieß ich mit
    dem Fuß an die brüchige Tür des schon seit Jahren un- 
    benutzten Schweinestalles. Sie öffnete sich und klappte
    in den Angeln auf und zu. Wärme und Geruch wie von
    Pferden kam hervor. Eine trübe Stallaterne schwankte
    drin an einem Seil. Ein Mann, zusammengekauert in
    dem niedrigen Verschlag, zeigte sein offenes blauäugiges 
    Gesicht. „Soll ich anspannen?“ fragte er, auf allen Vieren
    hervorkriechend. Ich wußte nichts zu sagen und beugte
    mich nur, um zu sehen, was es noch in dem Stalle gab.
    Das Dienstmädchen stand neben mir. „Man weiß nicht,
    was für Dinge man im eigenen Hause vorrätig hat“, sag- 
    te es, und wir beide lachten. „Hollah, Bruder, hollah,
    Schwester!“ rief der Pferdeknecht, und zwei Pferde,
    mächtige flankenstarke Tiere schoben sich hintereinan-
    der, die Beine eng am Leib, die wohlgeformten Köpfe
    wie Kamele senkend, nur durch die Kra der Wendun- 
    gen ihres Rumpfes aus dem Türloch, das sie restlos aus-
    füllten. Aber gleich standen sie aufrecht, hochbeinig, mit
    [  ]
    dicht ausdampfendem Körper. „Hilf ihm“, sagte ich,
    und das willige Mädchen eilte, dem Knecht das Geschirr
    des Wagens zu reichen. Doch kaum war es bei ihm,
    umfaßt es der Knecht und schlägt sein Gesicht an ihres.
     Es schreit auf und flüchtet sich zu mir; rot eingedrückt
    sind zwei Zahnreihen in des Mädchens Wange. „Du
    Vieh“, schreie ich wütend, „willst du die Peitsche?“,
    besinne mich aber gleich, daß es ein Fremder ist; daß ich
    nicht weiß, woher er kommt, und daß er mir freiwillig
     aushil, wo alle andern versagen. Als wisse er von mei-
    nen Gedanken, nimmt er meine Drohung nicht übel,
    sondern wendet sich nur einmal, immer mit den Pferden
    beschäigt, nach mir um. „Steigt ein“, sagt er dann, und
    tatsächlich: alles ist bereit. Mit so schönem Gespann, das
     merke ich, bin ich noch nie gefahren und ich steige fröh-
    lich ein. „Kutschieren werde aber ich, du kennst nicht
    den Weg“, sage ich. „Gewiß“, sagt er, „ich fahre gar
    nicht mit, ich bleibe bei Rosa.“ „Nein“, schreit Rosa
    und läu im richtigen Vorgefühl der Unabwendbarkeit
     ihres Schicksals ins Haus; ich höre die Türkette klirren,
    die sie vorlegt; ich höre das Schloß einspringen; ich sehe,
    wie sie überdies im Flur und weiterjagend durch die
    Zimmer alle Lichter verlöscht, um sich unauffindbar zu
    machen. „Du fährst mit“, sage ich zu dem Knecht,
     „oder ich verzichte auf die Fahrt, so dringend sie auch
    ist. Es fällt mir nicht ein, dir für die

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