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Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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wie immer auch einen Klecks Make-up ab. Achtlos verteilte Swantje anschließend die vorgewärmten Handtücher auf dem Boden, wo sie mit den anderen Kleidungsstücken ein übles Durcheinander bildeten. Schließlich sollten die Bediensteten ruhig arbeiten für ihr Geld, diesen Grundsatz sog man in ihrer Familie sozusagen mit der Muttermilch zusammen ein. Als Swantje endlich mit ihrem Aussehen zufrieden war, schlug die Uhr im Salon schon halb acht. So schnell es ihre zu enge Reithose zuließ, lief sie in den Salon.
    „Guten Morgen, Mami!“, flötete sie in die Richtung ihrer Mutter, die wie jeden Morgen schon auf Swantje wartete.
    „Guten Morgen, mein Engelchen, du siehst ja wieder hinreißend aus!“, lobte Lady Ricks. Die umhereilenden Bediensteten glucksten belustigt vor sich hin, allerdings möglichst leise, denn wer sich über Lady Ricks „Engelchen“ lustig machte, konnte sofort seine Sachen packen und sich eine neue Stelle suchen.
    Swantje kicherte geschmeichelt. „Anni!“, brüllte Lady Ricks, „ich hatte Lachsschnittchen bestellt für Swantjes Schulbox – soll das Lachs sein?“ Mit hochrotem Kopf blickte Anni auf ihre Füße. „Nein, Lady Ricks, es ist Pute, Verzeihung, ich hole ein anderes …“ Noch bevor Lady Ricks sich weiter aufregen konnte, war Anni aus dem Salon gelaufen, die Brotdose fest in der verschwitzten Hand. Die wuchtige Standuhr zeigte Viertel vor acht.
    Endlich war das richtige Brot in der Tasche verstaut. Swantje griff nach ihrer Schultasche, gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange und machte sich auf in den Stall. Sie kam gerade noch rechtzeitig, um Julie beim Ausmisten anzutreffen.
    Julie war auf den Tag genau so alt wie Swantje. Sie hatte dunkelbraunes, glattes Haar, das sie nur lang trug, um die Kosten für den Friseur zu sparen. Gerade blies sie sich angestrengt den Pony aus den leuchtend blauen Augen. Ihre Kleidung stand im krassen Gegensatz zu der von Swantje: Diese trug schicke Reithosen, die aber, obwohl sie maßgeschneidert waren, an Swantje klebten wie eine Pelle an einer Leberwurst, und einen teuren Designer-Pullover, Julie hingegen alte, zu kurze Blue-Jeans und ein ausgeleiertes Sweatshirt. Julie war eher klein für ihr Alter, und im Moment kringelten sich ihre Haare von der Anstrengung beim Ausmisten an den Schläfen. Julies Morgen war ganz anders verlaufen als der ihrer Klassenkameradin Swantje. Julie war um sechs Uhr aufgestanden und hatte einen Tee für ihren Vater gekocht. Seit Frau Denes bei Julies Geburt gestorben war, musste der Vater nachts auf zwei verschiedenen Arbeitsstellen schuften, um wenigstens das Nötigste für sich und seine Tochter bezahlen zu können. Je älter Julie geworden war, umso leichter war es aber immerhin geworden, weil ihr Vater mit der Zeit tagsüber arbeiten konnte. Doch dann hatte der Schulwechsel angestanden, und als die Grundschullehrer eine Empfehlung für das Gymnasium ausgesprochen hatten, hatte Herr Denes doch wieder angefangen nachts zu arbeiten. Das wurde einfach besser bezahlt. Er bestand darauf, dass seine einzige Tochter auf die Privatschule ging, sie sollte die beste Ausbildung bekommen. Das Schulgeld aber war hoch, so blieb wenig zum Leben übrig. Julie sagte ihrem Vater oft, dass sie nicht so hungrig sei, denn wenn am Ende des Monats noch Geld da war, konnte er sich Medikamente kaufen. Mit Hilfe der Tabletten war es Herrn Denes möglich, die eine oder andere Tagruhe ohne die schlimmen Hustenanfälle durchzuschlafen, die ihn quälten, seit er in der Raffinerie die Kessel schrubbte. So war es nicht verwunderlich, dass Julie eher dünn war. Nach ihrem einfachen Frühstück trug sie seit geraumer Zeit schnell Zeitungen aus; wenn alles gut ging, konnte sie sich im Herbst von dem gesparten Lohn ein Fahrrad leisten. Danach noch das Ausmisten - Julie hatte schon vor der Schule einiges geleistet. Doch sie mistete gerne aus, schließlich bekam sie dafür die Reitstunden. Julie stach die Mistgabel ungeduldig in einen kleinen Haufen Stroh. Bis zum Herbst war es noch so lang. Sie wünschte, sie hätte das Fahrrad gleich schon haben können; Julie hasste es zu warten. Wenigstens würde sie zur Belohnung dann nur noch die halbe Zeit vom Stall bis zur Schule brauchen und mehr Zeit für die Pferde haben.
    Swantje ließ sich jeden Morgen von ihrem Chauffeur fahren, so dass sie wie aus dem Ei gepellt in der Schule ankam. Julie hingegen war meist völlig verschwitzt und roch nach Pferdestall, wenn sie zum Unterricht kam. Aber einerseits

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