Dryadenzauber (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)
war Julie ohnehin klug genug, um die bissigen Bemerkungen ihrer Mitschülerinnen zu ignorieren, andererseits war Julie durch die vielen kleinen Angriffe auch ständig auf der Hut. Und das in praktisch jeder Situation, nicht nur in der Schule. Schon als Julie morgens den Stall betreten hatte, war ihr deshalb etwas Merkwürdiges aufgefallen: Ein grünlicher Schatten schien in einer Box zu verschwinden. Aber als sie genauer hinschaute, war nichts mehr zu sehen.
Nachdem Julie nun fast fertig war mit dem Ausmisten, war sie sicher, sich getäuscht zu haben. Gewiss hatte ihr Vater Recht, und es wäre besser, wenn sie weniger arbeiten und mehr schlafen würde. Sie fing ja schon an, Gespenster zu sehen. Selbst das Licht schien heute anders zu sein, heller als gewöhnlich.
Swantje baute sich vor Julie auf und zupfte an ihrem Oberteil herum. “So früh schon arbeiten? Meine Güte, mir wäre das zu anstrengend …“, sagte sie gehässig. Dabei kickte Swantje ein Stück Pferdemist gegen Julies Blue-Jeans. Dass sie ihre Stiefel dabei beschmutzte, war Swantje egal. Sie würde den Chauffeur anweisen, ihr ein anderes Paar zu bringen. Julie allerdings hatte nicht die Gelegenheit, sich vor der Schule noch umzuziehen, wollte sie nicht zu spät kommen. Julies Gesicht rötete sich. Swantjes Miene hellte sich auf, denn so beschmutzt wie Julie nun war, konnte sie sie in der Schule gleich noch einmal mit ihren Freundinnen zusammen aufziehen. Julie schluckte eine Erwiderung herunter; wenn sie nicht mehr im Stall arbeiten konnte, war es auch aus mit den kostenlosen Reitstunden, die sie dafür von Swantjes Privat-Reitlehrer erhielt. Und vom Reiten würde Julie sich unter gar keinen Umständen abhalten lassen. Außerdem begann später an diesem Tag das Mittelalterfest auf dem Marktplatz vor dem Schloss. Wenn sie Swantje jetzt verärgerte, würde sie bestimmt für die Dauer des Marktes von ihr ein Hofverbot bekommen. Mit immer noch rotem Kopf wandte sich Julie wieder der Mistgabel zu. Doch Swantje hörte nicht auf, der Ärger über die schlechten Noten und die drohenden Konsequenzen machte sie noch boshafter als sonst. „Ups, du bist ja ganz schmutzig, wasch dich mal, sonst stinkst du wieder die ganze Schule voll!“, hetzte Swantje.
„Du bist so eine gemeine Ziege!“, rief Julie empört. Jede Zurückhaltung war vergessen. „Du bist wohl nur zufrieden, wenn du andere quälen kannst, oder?“, fügte sie hinzu.
Kreischend stürzte sich Swantje auf Julie und zerrte an ihren Haaren und ihrem Sweatshirt. Der ausgeleierte Kragen gab nach und Julies Schulter wurde sichtbar – und mit ihr das Mal. Swantje hörte auf zu zetern und starrte verdutzt auf den Fleck. „Das sieht ja aus wie meins …“, stammelte sie.
Julie erstarrte. Sie ließ das Muttermal freiwillig nie jemanden sehen; dies war die Bedingung von Lady Ricks gewesen. Dafür durften Julie und ihr Vater auf dem Gelände des Schlosses wohnen, ohne nennenswert Miete zu bezahlen. Julie hatte sich solche Mühe gegeben, diese Bedingung zu erfüllen, sie hatte immer T-Shirts getragen, nicht ein Mal ein Top oder einen Bikini, egal wie heiß es gewesen war. Und jetzt war alles aus. Julie hatte gerade mit einer einzigen unbedachten Bemerkung die Lebensgrundlage ihrer kleinen Familie zerstört. Swantje würde mit Sicherheit petzen. Sie würden ausziehen müssen, die volle Miete konnten sie sich auf keinen Fall leisten. Wovon sollten sie bloß leben? Allein die Schule war schon furchtbar teuer. Bleich sank Julie auf einen Strohballen.
Dass ihr Gespräch von Anfang an belauscht worden war, hatte keines der beiden Mädchen bemerkt; Kunststück, hatte sich Chris doch unsichtbar gemacht, nachdem Julie ihn fast entdeckt hatte.
Draußen waren die Vorbereitungen für das Mittelalterfest in vollem Gange. Butler Hector und das arme Hausmädchen Anni standen an den hohen Bogenfenstern. Beide betrachteten das bunte Gewusel unter ihren Füßen.
„Waren da letztes Jahr auch so viele Aussteller und Leute?“ hauchte Anni, noch verschüchtert vom morgendlichen Rüffel.
Hector stutzte kurz – richtig, Anni war ja erst seit einem halben Jahr auf dem Schloss. Sie war gekommen, weil Swantje das letzte Hausmädchen vergrault hatte. Hector antwortete nicht sofort, er verkniff sich eine böse Bemerkung über seine Herrschaft und sagte sich zum hundertsten Mal, dass er das Geld nun einmal brauchte.
Das Auftauchen etlicher Mädchen auf dem Marktplatz riss ihn aus seinen Gedanken. Tatsächlich schienen
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