DS021 - Der grüne Adler
Ihnen gekommen ist?« fragte Ben.
»Klar!« grinste der Fahrer. »Die sollte ruhig öfter mal reisen. Vielleicht läßt sie sich dann rumkriegen ...«
»Jetzt mal keine Witze«, sagte Ben. »Ich möchte wissen, wo die hergekommen ist.«
Der Fahrer starrte Ben an. »Oh.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Nun, sie ist mit der Zubringermaschine des Fluges von New York gekommen. Jedenfalls stieg sie am Flugplatz zu, und um die Zeit kommen da nur die Passagiere des New-York-Fluges an.«
»So, tatsächlich aus New York?« murmelte Ben.
Er ging zurück und wartete vor dem Bestattungsinstitut, bis der Sheriff und das Mädchen herauskamen.
Mira Lanson – oder wie immer sie in Wirklichkeit heißen mochte – war erneut damit beschäftigt, sich mit dem briefmarkengroßen Taschentuch die Augen abzutupfen. »Onkel Pilatus – er hat den Westen sosehr geliebt«, erklärte sie unter Schluchzen. »Ich glaube, er würde am liebsten hier in Wyoming begraben sein. Andere Verwandte als mich hat er ja sowieso nicht. Sie brauchen also niemand weiter zu fragen.«
»Klar, klar«, sagte der Sheriff. »Ich nehme Ihnen gern alle Formalitäten ab, Miß Lanson. Wir haben hier einen wirklich netten Friedhof auf dem Klapperschlangenhügel. Der hätte Ihrem Onkel bestimmt gefallen.«
Ben sagte: »Er heißt nicht mehr Klapperschlangenhügel. Durch Gemeinderatsbeschluß ist er umbenannt worden in Holy Mound Cemetery. Haben Sie das vergessen, Sheriff?«
Das Mädchen sagte: »Ich muß aber auch irgendwo Unterkommen.« Sie sah Ben hilfesuchend an. »Meinen Sie, daß ich vielleicht auf der Broken Circle Ranch wohnen könnte?«
»Ich weiß nicht«, sagte Ben zweifelnd und fragte sich: Verdammt, was will sie ausgerechnet dort?
»Natürlich kann die Broken Circle Sie für ein paar Tage unterbringen«, erklärte der Sheriff. »Eine Ferien-Ranch – das ist doch fast dasselbe wie ein Hotel.«
»Ich kann ja mal anrufen und fragen«, erbot sich Ben.
Bis er D’Orr am anderen Ende der Leitung hatte, war ihm völlig entfallen, daß er eigentlich ja beim Zäuneflicken sein sollte. Die Ausdrücke, die D’Orr ihm an den Kopf warf, als Ben ihm sagte, daß er von der Stadt aus anrief, hätten der Telefonistin in der Vermittlung, falls sie mithörte, sicher die Schamröte ins Gesicht getrieben. D’Orrs Stimmung schlug jäh um, als er hörte, wen Ben da als Gast für die Ranch hatte.
»Wer, sagen Sie?« rief er eifrig.
»Eine Mira Lanson, und sie behauptet, der alte Mann, der da verhungert ist, sei ihr Onkel gewesen«, erklärte ihm Ben.
»Bringen Sie sie sofort heraus, Donald«, befahl D’Orr. »Nehmen Sie den Wagen. Wenn Slim mit der Post und den anderen Besorgungen noch nicht fertig ist, kommen Sie sofort mit ihr heraus. Später können Sie dann noch mal zurückfahren und Slim abholen.«
»Okay«, sagte Ben. D’Orrs Eifer kam ihm höchst merkwürdig vor.
Es ergab sich dann, daß Slim noch längst nicht soweit war. Also lud Ben das Mädchen und den kleinen Koffer in den Wagen und fuhr aus der Stadt hinaus, erst durch flaches Weideland, dann über das Plateau in die Berge hinauf.
Das Schweigen, in dem das Mädchen verharrte, machte Ben nervös, und so erkundigte er sich schließlich mit Unschuldsmiene: »Hat Sie der Anblick Ihres toten Onkels sosehr erschüttert?«
»Ich hoffe, dieser Anblick hier erschüttert Sie soweit, daß Sie keinen Mucks mehr machen!« entgegnete das Mädchen.
Und Ben merkte, daß ihm der Lauf einer Pistole gegen die Rippen gedrückt wurde.
Er nahm den Fuß vom Gashebel.
Sie sagte: »Fahren Sie weiter. Auf der Kuppe des Hügels da vorn fahren Sie rechts heran und halten.«
Ben blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Er lenkte den Wagen, als sie oben angekommen waren, rechts heran, hielt, und das Mädchen sagte: »Sie können die Zündung ausschalten.«
Ben tat es und sah sich um. Ringsum waren kahle Berggrate – weiter nichts. »Ziemlich einsames Plätzchen, das Sie da für uns ausgesucht haben«, bemerkte er.
»Wir bleiben hier nicht lange allein«, sagte sie.
Sie sollte recht behalten.
Kaum zehn Minuten später kamen mit einem kleinen offenen Lastwagen, der einen Viehanhänger nachzog, zwei Männer angefahren. Der Anhänger war von jener Art, wie ihn Rancher benutzen, und enthielt zwei gesattelte Pferde. Die beiden Typen waren jedoch kein Cowboys, das sah man auf den ersten Blick. Ihre Haut war bleich, und um die Augen fehlten ihnen die kleinen Fältchen, wie Western-Männer sie vom
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