DS027 - Der Mörder aus dem Jenseits
deutlich verständlich.
Doc sprang auf und rannte in die Richtung, die ihm die alte Jude bezeichnet hatte. Er hatte etwa hundert Meter zurückgelegt und hörte an einem leisen murmelnden Rauschen, daß er sich in der Nähe eines Bergbachs befinden mußte, als er plötzlich aus vollem Lauf heraus abbremste.
Ein Mann lag dicht neben dem Bergpfad im struppigen, kniehohen Unkraut. Doc Savage fiel sofort die hagere, schmächtige Gestalt des Mannes auf, der mit dem Gesicht nach unten lag und fast kein Haar mehr auf dem Kopf hatte. Aber auf seiner Glatze glänzte etwas Nasses, Rotes – Blut, das ihm offenbar von hinten über die Schädeldecke lief.
Doc hob ihn vorsichtig hoch und sah ihm ins Gesicht. Es war der ältere Mann, der zusammen mit Red McNew in Maine gewesen war. Frosta Raymonds Vater. Er war bereits tot.
Doc untersuchte flüchtig die Einschußstelle am Hinterkopf des Mannes; er wußte gleich, daß er keine Kugel finden würde. Auch die Taschen des Toten ergaben nichts.
Doc ließ ihn liegen und rannte zu der Stelle zurück, an der er Jude zurückgelassen hatte.
Aber die alte Frau war verschwunden!
Eine Bewegung, die der Bronzemann am Hang über sich wahrnahm, veranlaßte ihn, sich lang hinzuwerfen. Keinen Augenblick zu früh – ein ohrenbetäubender schriller Laut hallte von den Berghängen wider.
Doc sprang auf und hastete den Berghang hinauf; er wußte, es dauerte fast eine Minute, ein Vorderladergewehr wieder schußbereit zu machen, und solange das Phantom nicht noch andere Waffen hatte, ging Doc mit seinem Sturmlauf kein großes Risiko ein.
Aber als er die Stelle erreichte, an der der Schuß abgefeuert worden war, fand er sie verlassen, und nicht einmal Fußspuren waren zu entdecken. Als er dann den Berghang in zweihundert Metern Umkreis absuchte, fand er nur eine flache Kassette ohne Schloß aus blankgewetztem starkem Eisenblech.
Zweifellos handelte es sich um die Kassette der alten Jude, die ihr Exemplar von »Leben und Schreckliche Tagen des adoptierten Mauren Black Raymond« enthalten hatte – aber jetzt war die Kassette leer.
Keine Spur, kein Zeichen wies darauf hin, was aus der alten Frau geworden war. Allem äußeren Anschein nach hatte sie sich in der warmen Bergluft aufgelöst.
Und während sich Doc Savage auf den Rückweg machte, überlegte er noch einmal, was es bedeuten mochte, daß die alte Jude Snow schon einmal, während Jug mit seinen Leuten an der Ostküste geweilt hatte, auf mysteriöse Weise verschwunden gewesen war.
16.
Zwei Tage vergingen. Ein Raymond wurde beim Melken aus dem Hinterhalt erschossen. Ein Snow und ein Raymond begegneten sich zufällig auf einem Bergpfad, und hinterher fand man beide erschossen auf; offensichtlich hatten sie sich gegenseitig getötet.
Frauen und Kinder wagten sich nicht mehr aus den Hütten, und die Männer nur, um schnell ein Schwein oder ein Huhn hereinzuholen, das sie vom Fenster aus mit dem Gewehr abgeschossen hatten. Selbst die Oldtimer, die sich viele Jahre zurückerinnern konnten, bestätigten, daß die Familienfehde zwischen den Snows und den Raymonds nie zuvor so blutig gewesen war.
Jug und seine Leute suchten fieberhaft nach der alten Jude Snow und erkundigten sich überall nach ihr, aber niemand hatte sie gesehen.
Am Abend des zweiten Tages nach dem Verschwinden der alten Jude bogen Jug und seine Leute um eine Straßenecke und blieben verblüfft stehen.
»Wer, zum Teufel, ist das?« grollte Jug.
Auf einer Art Brett mit zwei kleinen Rädern vorn und zwei etwas größeren Rädern hinten rollte eine Gestalt herbei, die Jug Snow nicht einmal bis zur Taille reichte. Sie war in Lumpen gekleidet und bewegte das Gefährt quietschend und knirschend voran, indem sie es mit zwei dicken, etwa einen Meter langen Stöcken anschob.
»Ein Kerl ohne Beine!« murmelte Jug.
Als die Gestalt mit dem quietschenden Gefährt näher kam, wurde ersichtlich, daß sie doch Beine hatte, nur hatte sie diese auf ganz merkwürdige Weise untergeschlagen, als seien sie gelähmt oder verkrüppelt. Erst als der Mann dicht heran war, blickte er auf und hielt an, als ob er erst in diesem Augenblick Jug und seine Männer bemerkte.
»Wer bist du?« knurrte Jug.
Der Mann auf dem Rollstuhlersatz gab durch nichts zu erkennen, daß er Jug gehört hatte, sondern blinzelte nur. Er hatte einen enormen Brustkasten, auf dem beinahe halslos ein kleiner Kopf mit fliehender Stirn saß. Am auffälligsten aber war, daß er am Kopf keine Haare hatte. Nicht nur
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