DS041 - Der schreckliche Mullah
und zog eine präparierte Betelnuß heraus. Er stopfte sie sich in den Mund und kaute. Doc begriff, daß seine Zähne von den Betelnüssen schwarz geworden waren.
»Er scheint keine Angst zu haben«, sagte der Anführer. »Er ist nicht klug. Ein kluger Mann weiß, wann es an der Zeit ist, sich zu fürchten, nur Dummköpfe sind mutig, wenn sie keine Chance mehr haben.«
»Man muß seine Angst nicht zeigen«, erwiderte Doc auf Tananesisch. »Nur Frauen und Kinder haben ein Recht, zu schluchzen und zu jammern und die Nerven zu verlieren.«
»Du bist ein seltsamer Mann«, sagte der Anführer. Er sprach jetzt Englisch mit britischem Akzent. »Ich verstehe, daß der Mullah von der anderen Seite der Erde bis hierher gekommen ist, um dich zu beseitigen, bevor der Khan und das Weib Lyndell dir ihre Geschichte erzählt haben.«
»Ich bin entsetzlich neugierig«, bekannte Doc. »Wer ist dieser Mullah?«
»Er war tot und hat tausend Jahre in der Einsamkeit verbracht, um nachzudenken«, erklärte der Anführer. »Danach hat er seinen Geist auf die Erde nach Tanan geschickt, um die Menschen zu erleuchten und ihrer wahren Bestimmung zuzuführen.«
»Das überzeugt mich nicht«, erwiderte Doc. »Über die wahre Bestimmung der Menschen ist schon soviel geredet und geschrieben worden, daß man es kaum noch ertragen kann. Solche Lehren sind häufig nur ein Mittel der Politik, mit dem Schwachköpfe für die Interessen machthungriger Psychopathen mobilisiert werden. Und warum ausgerechnet Tana? Wieso ist dieser kleine Staat so außerordentlich?«
Der Anführer ärgerte sich.
»Der Mullah ist großartiger als Dschingis Khan!« behauptete er gereizt. »Er ist großartiger als sämtliche Religionsstifter! Du zweifelst. Du wirst es lernen, deine Zweifel zu besiegen.«
»Das ist keine Antwort«, beharrte Doc. »Warum Tana?«
Der Anführer dachte mürrisch nach. Die restlichen Männer kamen nun vom Obergeschoß herab und drängten sich um Doc und den Anführer. Doc stellte fest, daß alle bemerkenswert intelligent, aber auch bemerkenswert grausam aussahen.
»Paßt auf«, sagte er. »Ich will euch etwas zeigen.«
Er hob beide Arme über den Kopf und bewegte die Finger. Er verschränkte sie, legte die Hände zusammen und öffnete sie wieder. Die Männer vermuteten Hypnose oder Zauberei; ein tiefes Unbehagen war ihnen anzusehen.
»Hör auf!« sagte der Anführer nervös. »Wir verstehen diese Gesten nicht!«
Doc erwartete nicht, daß die Männer seine Bewegungen verstanden; er wollte sie auch nicht hypnotisieren. Er wollte sie nur ablenken. Während sie wie gebannt auf seine Hände starrten, trat er den Absatz von seinem rechten Schuh ab. Der Absatz war so befestigt, daß ein Druck mit dem linken Fuß an der richtigen Stelle genügte. Der Absatz war ausgehöhlt. Ein gelbliches Pulver rieselte heraus.
Doc trat einen Schritt zurück, drehte sich um, beugte sich vor und schloß die Augen, gleichzeitig zuckte aus dem gelblichen Pulver eine Stichflamme hoch. Das Pulver brannte genau zwei Sekunden lang. Die Tananesen waren geblendet. Erst als die Flamme erlosch, entsannen sie sich ihrer Waffen. Aber Doc Savage war nicht mehr in Sicht.
Doc hatte die zwei Sekunden dazu benutzt, sich zu einer Tür im Hintergrund abzusetzen. Er vermutete, daß Ham und Monk dort festgehalten wurden, denn ein anderes Verlies war nirgends zu entdecken. Als die Männer ihn am Fuß der Treppe stellten, hatte er den Plan gefaßt, wie er ihnen entkommen konnte. Das gelbliche Pulver war eine magnesiumähnliche Chemikalie mit einer winzigen Kapsel, die sich und das Pulver entzündete, sobald sie mit Luft in Berührung kam.
Die Tananesen schrien wieder durcheinander und ballerten blindlings um sich. Inzwischen erreichte Doc die Tür. Sie war unverschlossen und führte in eine enge Gasse. Der Boden war ungepflastert und aufgeweicht, Fußspuren waren deutlich zu erkennen. Doc war sich nicht sicher, ob die Spuren von Ham und Monk stammten, aber er hielt es für wahrscheinlich.
Er lief durch die Gasse, die in eine Straße mündete. An der Ecke hatte ein Wagen gestanden, und zwar anscheinend lange. Er schien erst vor wenigen Sekunden abgefahren zu sein, denn der Baden war trocken. Die Fußspuren hörten an dem trockenen Geviert jäh auf. Offenbar waren Ham und Monk an einen anderen Ort gebracht worden.
Hinter ihm drängten sich die Tananesen in die Gasse. Sie schrien immer noch durcheinander und benutzten wieder ihre Blendlaternen. Doc verließ die ungemütliche
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