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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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nach, ob meine Eltern schon wach waren. Natürlich war ich aufgeregt und wollte unbedingt nach draußen, um meinen neuen Wohnort zu erforschen. Da sich auch bei meinen Eltern noch nichts rührte, ging ich hinaus auf die kleine Veranda, die unsere Vordertür von der Treppe nach unten trennte, und ließ zum ersten Mal die Umgebung tief auf mich wirken.
    Links sah ich den Klihi-Fluss, und schon jetzt sehnte ich mich danach hineinzuspringen! Die Hitze war bereits in vollem Anmarsch, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne die Macht übernahm und auch ihre treuesten Freunde in den Schatten zwang. Direkt vor mir wuchsen vereinzelte Bäume aus braunem Lehm hervor. Ungefähr zehn Meter rechts von mir, am Rand des Urwalds, stand ein zweites Holzhaus, das, wie ich später erfuhr, für Gäste gebaut worden war – aber weil wir so gut wie nie Gäste hatten, stand es fast immer leer. Ein paar Meter weiter befand sich noch eine kleinere Hütte, die mein Vater als Arbeitszimmer benutzte. In den nächsten Jahren sollte er viel Zeit dort verbringen, um die Fayu-Sprache zu lernen und zu analysieren.
    Fayu-Frauen
    Inzwischen hatte ich bemerkt, dass langsam Leben in das Dorf der Fayu kam. Man hatte mich gesehen, und die Bewohner schienen mindestens ebenso erpicht darauf, mich zu erforschen, wie umgekehrt. Schon bald kamen sie näher heran und beobachteten mich und jede meiner Bewegungen.
    Zum ersten Mal traten jetzt auch Frauen und Kinder hinzu und versammelten sich in kleinen Gruppen. Die Kinder waren vollkommen nackt, manche hatten einen extrem dicken Bauch – es war Wurmbefall im Darm, wie ich später erfuhr. Andere hatten rötliche Haare, eine Krankheit, die durch Vitaminmangel verursacht wird. Was mich jedoch am meisten interessierte, waren die Frauen. Sie waren kleiner als die Männer, wirkten zum Teil aber sehr maskulin. Auch sie waren nackt, mit der einzigen Ausnahme, dass sie zwischen ihren Beinen eine aus Baumrinde geflochtene Bedeckung trugen. Heute würde ich sagen, sie glich den modernen String-Tangas aufs Haar. Vor allem aber gaben mir ihre Brüste zu denken. Sie hingen extrem nach unten, teils bis zum Bauchnabel. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich hoffte inständig, dass ich nicht eines Tages, wenn ich erwachsen war, auch solche Brüste haben würde.
    Als ich diese Bedenken einmal Mama gegenüber äußerte, beruhigte sie mich mit der Erklärung, das sei nur deshalb so, weil die Fayu-Frauen keine BHs trügen …
    Ich konnte natürlich nicht verstehen, was die Fayu sagten. Eines aber war gewiss: Ich war an diesem Morgen das Gesprächsthema Nummer eins. Die Sprache klang so ungewöhnlich, glich in keiner Weise dem europäischen Reden, sondern ähnelte eher einem geheimnisvollen Singsang. Ich war begeistert von diesem Klang, denn ich hatte vorher noch nie etwas Ähnliches gehört. So stand ich und schaute und lächelte, aber niemand lächelte zurück. Nach einiger Zeit ging ich wieder zurück ins Haus.
    Meine Familie war von dem Lärm, den die Fayu in ihrer Aufregung verursacht hatten, endlich wach geworden. Mama war schon dabei, Kaffee zu kochen, während Papa sich zum hundertsten Mal über das Funkgerät ärgerte, das wieder einmal streikte. Papas handwerkliche Begabung hatte sich stets in Grenzen gehalten, und heute versuchte er sein Glück, indem er das Gerät mit einem Hammer mal hier, mal dort bearbeitete. Plötzlich und ohne Vorwarnung funktionierte es wieder. Stolz drehte er sich zu uns: »Ich habe das Radio repariert!«
    Lächelnd reichte ihm Mama einen Teller: »Na, nach so viel Anstrengung brauchst du sicherlich etwas zu essen …«
    Und so begann unser erstes gemeinsames Frühstück in unserem neuen Zuhause.
    Wie der Rest des Tages verlief, weiß ich nicht mehr genau. Ich kann mich nur noch an Bruchstücke erinnern. Sehr gut im Gedächtnis geblieben ist mir allerdings, dass wir Kinder viel im Fluss spielten und dass wir nicht verstehen konnten, warum die Fayu-Kinder nur an einen Baum gelehnt dasaßen oder sich dicht an ihre Eltern drängten und nie lachten. Sie schienen Angst zu haben, wir wussten aber nicht, vor wem oder was. Es war doch alles so friedlich hier.
    Wir versuchten sie mit Handzeichen zu überreden, mit uns zu spielen, aber niemand rührte sich. Schließlich gaben wir es auf und blieben unter uns.
     
    Die ersten Tage vergingen wie im Flug. Wir standen mit der Sonne auf und gingen bei Einbruch der Dunkelheit zu Bett. Morgens frühstückten wir zusammen, meist Haferflocken,

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