Dschungelkind /
mit dem ersten oder mit dem zweiten Boot fahren?«, wollte Mama von mir wissen.
Ich entschied mich für das erste und ging nach draußen, wo Christian schon auf mich wartete. Judith wollte mit Mama im zweiten Boot nachkommen.
Wir sprangen den schmalen Steinpfad hinunter, bis wir zu einer kleinen Holzbrücke kamen. Dort fiel mein Blick nach unten, und ich sah unter der Brücke einen bunten Salamander. Auf der Stelle ließ ich meinen Rucksack und den Kanister auf den Boden fallen, um ihn zu fangen.
Christian, der mir vorausgeeilt war, rannte zurück und rief: »Sabine, beeil dich, sonst fährt das Boot ohne uns! Du darfst den Salamander sowieso nicht behalten!«
Schnell wandte ich mich um zum Haus und bemerkte Mamas warnenden Blick. Ich verstehe bis heute nicht, wie es ihr immer gelang, meine Pläne zu durchschauen. Enttäuscht, dass ich nun doch keinen Ersatz für meine Spinnen gefunden hatte, riss ich mich schließlich los, kletterte wieder auf die Brücke, hob meine Sachen auf und rannte hinter Christian her.
Nach ein paar Metern führte der Pfad nach unten zum Dock. Die Anlegestelle war aus Holzbrettern gebaut, die wie eine Plattform hinaus aufs Wasser liefen. Wir sprangen in das Boot und setzten uns auf kleine Bretter, die als Sitzplätze dienten.
Ein Dani-Mann startete den Motor und fuhr auf den See hinaus. Der Wind fühlte sich herrlich an, ich tauchte meine Hand ins Wasser und bespritzte mein Gesicht und meine Haare, um noch mehr Abkühlung zu bekommen. Wir fuhren an einigen Holzhäusern und Docks vorbei, danach kam eine längere Strecke undurchdringlicher Urwald, bis wir auf eine Öffnung stießen, die wie ein langer, breiter Pfad aus Gras aussah: Die Landebahn … Sie begann auf der Kuppe eines Hügels und endete im Wasser. Krass ausgedrückt, wenn der Pilot das Flugzeug nicht rechtzeitig in die Luft bekam, ging man baden.
Wir legten an, sprangen aus dem Boot, nahmen das, was wir tragen konnten, und machten uns auf den Weg zum Flugplatz. Als ich dort ankam, waren die Vorbereitungen für den Abflug bereits in vollem Gange. Der Pilot ging um den Hubschrauber herum und untersuchte noch einmal das Triebwerk, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung war. Die Dani-Männer hielten Ausschau nach Wildschweinen oder Hühnern, die frei herumliefen und möglicherweise später den Abflug gefährden könnten.
Unser Gepäck lag im Gras, und mein Bruder saß auf einer Kiste und passte darauf auf. Aufgeregt betrachtete ich den Hubschrauber und konnte es kaum glauben, dass wir in Kürze damit fliegen würden. Es war ein Hubschrauber vom Modell Bell 47, mit einer Windschutzscheibe, die wie eine durchsichtige Halbkugel geformt war. Auf beiden Längsseiten befanden sich schmale Tragflächen, an denen das Gepäck befestigt wurde. Der Helikopter glich einer bepackten Libelle.
Der Pilot drehte sich zu mir und fragte mich auf Englisch: »Na, Sabine, bist du bereit für dein neues Zuhause?«
Ich strahlte ihn an und antwortete ihm, dass ich sehr wohl bereit wäre und mich riesig darauf freute.
»Hast du auch deine Jacke dabei?«
Schon wieder. Ich bejahte und fragte, warum ich denn eine brauchen würde. Er erklärte mir, dass es während des Fluges in der Höhe sehr kalt sei.
Plötzlich hörte ich Christian schreien. Ich lief hinüber zu ihm, und als ich ihn sah, fing ich an zu lachen. Er hatte den Dani-Männern helfen wollen, ein Schwein vom Landeplatz zu verjagen. Doch dabei war er in einen großen Haufen Schweinemist hineingerutscht, lag immer noch mittendrin und schrie: »Hilfe, ich tinke!«
»Nein, Christian«, lachte ich, »du tinkst nicht, du stinkst, und zwar ziemlich.«
»Nein«, erwiderte er wütend, »das tu ich nicht!«
»Doch, tust du, und weil du so stinkst, müssen wir dich jetzt an einem Seil unter den Helikopter binden, um dich mitzunehmen.«
»Nein!«, schrie er jetzt lauter. »Das stimmst nicht!« Er nahm eine Hand voll Schweinemist und bewarf mich damit. Ich schrie auf und warf mich auf ihn. Wir prügelten uns im Dreck, in der Mitte der Landebahn, umringt von amüsierten Dani-Männern. In diesem Moment kam Mama, gefolgt von Judith, um die Ecke gerannt. Sie hatte das Geschrei schon von weitem gehört. Der Pilot grinste sie an; er wusste, dass nur sie allein die Ordnung wiederherstellen konnte.
Judith schaute uns mitleidig an und sagte mit melodramatischer Stimme: »Ich habe schon immer gewusst, dass ich nicht zu dieser Familie gehöre.«
Mama schüttelte streng den Kopf. Da standen wir, von oben
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