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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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einzigartig.
    Und wieder war mir so, als wolle der Urwald mich nicht gehen lassen. Zuerst der weiche, sanfte Nebel und jetzt diese Urgewalt. Die Natur hatte dafür gesorgt, dass ich sie nicht vergaß, wollte sichergehen, dass ich sie nicht nur sah, sondern tief in mir fühlte.
     
    Am nächsten Morgen fragte ich Papa, ob er es auch mitbekommen hätte.
    »Welches Erdbeben?«, fragte er. »Nein, ich hab geschlafen.« Für mich war es das Erdbeben des Jahrhunderts gewesen, und er schlief. Ganz klar: Die Botschaft hatte mir gegolten.

Bisa und Beisa
    U nd dann, eines Abends, erfuhren wir, woher die Fayu kamen. Kloru, der Vater von Tuare und Bebe und einer der besten Geschichtenerzähler, die ich kenne, sprach uns zum ersten Mal vom Mythos ihrer Entstehung.
    »Es war einmal ein großes Dorf mit vielen Menschen, die alle nur eine Sprache hatten«, fing Kloru an. Das Abendfeuer erleuchtete unsere Gesichter; wir saßen alle gemeinsam da und warteten auf das leckere Schweinefleisch, das in der Mitte vor sich hin brutzelte.
    Kloru redete in einer Sprache, die ich nicht ganz verstand. Ich fragte Papa, der neben mir saß. Er wirkte begeistert, als er mir erklärte, dass Kloru einen sehr alten Dialekt benutzte, den seine Vorfahren gesprochen hatten. Papa ließ nebenher ein Tonband laufen, um die Legende aufzunehmen. So konnte er später sichergehen, dass er auch alles verstanden hatte. Da Papa die Fayu-Sprache aber inzwischen sehr gut beherrschte, konnte er mir an diesem Abend Klorus Erzählung übersetzen:
    »Diese Menschen lebten in Frieden. Doch eines Tages kam ein großes Feuer vom Himmel, und plötzlich gab es lauter verschiedene Sprachen. Nur jeweils ein Mann und eine Frau sprachen dieselbe Sprache, mit den anderen konnten sie sich nicht mehr verständigen.
    Sie wurden über die ganze Erde verstreut. Unter ihnen waren ein Mann und eine Frau namens Bisa und Beisa. Sie sprachen die Sprache der Fayu.
    Steinskulptur von Bisa und Beisa
    Tagelang sind sie gelaufen, um ein neues Heim zu finden. Eines Tages waren sie im Urwald angelangt, als es anfing zu regnen. Es hörte nicht mehr auf, tage- und wochenlang regnete es. Das Wasser stieg immer höher.
    Bisa und Beisa bauten sich ein Kanu und nahmen viele Tiere auf, die auch dem Wasser entfliehen wollten. Sie saßen in ihrem Kanu, Rücken an Rücken, und paddelten. ›Regen, hör auf, Donner hör auf, wir haben Angst!‹, riefen Bisa und Beisa immer wieder.
    Doch der Regen hörte nicht auf. Das Wasser stieg, bis alle Bäume versunken waren. Alles kam in den Fluten um; Bisa und Baisa und die Tiere, die sie in ihrem Kanu hatten, waren die Einzigen, die noch am Leben waren.
    Nach vielen Tagen, als sie die Hoffnung schon aufgegeben hatten, stießen sie plötzlich auf Land. Sie stiegen mit ihren Tieren aus dem Boot und fanden sich auf einem kleinen Hügel wieder. Vor sich sahen sie eine Höhle, die ins Innere der Erde führte. Erleichtert krochen sie hinein und fanden den lang ersehnten Schutz.
    Bald darauf hörte es auf zu regnen, und das Wasser verschwand. Die Tiere schwärmten aus in den Urwald, doch Bisa und Beisa blieben in der Höhle und bauten sich ein Heim, bekamen Kinder, die wiederum Kinder bekamen, bis sie zu einem großen Stamm heranwuchsen. Sie nannten sich die Fayu.
    Bisa und Beisa leben noch heute dort, aber nicht in menschlicher Gestalt. Sie haben sich verewigt, indem sie zu Stein wurden. Kennt ihr die großen Steine dort unten an der Höhle? Rücken an Rücken sitzen sie, und wenn wir Probleme haben, gehen wir zu ihnen, setzen uns daneben und erzählen ihnen unsere Sorgen.«
    »Wie schön«, dachte ich, »wie fremdartig und wie bekannt! Alle Menschen sind gleich …«
    Ich schaute über den dunklen Urwald hin, konnte nur noch die Umrisse der Bäume erkennen und stellte mir vor, wie es für Bisa und Beisa gewesen sein musste, ganz allein in einem Boot über das kalte Wasser zu treiben.
    »Sie müssen sich sehr verloren gefühlt haben«, dachte ich mir und rückte näher an Ohri heran.

Rückwärtsgang
    N achdem Kloru uns seine Geschichte erzählt hatte, trat etwas Erstaunliches zutage: Tuare nämlich, Klorus Sohn, war darüber genauso überrascht wie wir, denn er hatte die Geschichte ebenfalls noch nie gehört! Wohl kannte er die Steinfiguren Bisa und Beisa, doch von der dazugehörigen Legende hätte er nie erfahren, wenn Papa nicht danach gefragt hätte.
     
    An diese Begebenheit muss ich immer denken, wenn ich versuche zu verstehen, wie die einst so blühende Kultur der

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