Dshamila
niemand auf der ganzen Welt, der mir besser gefallen hätte als Dshamila. Wir scherzten, jagten einander auf dem Hof und konnten ohne jeden Grund schallend lachen.
Hübsch war Dshamila, schlank und wohlgebaut. Ihr straffes, dichtes Haar trug sie in zwei festen, schweren Zöpfen, und ihr weißes Kopftuch band sie so geschickt um, daß es ein wenig schräg über ihre Stirn lief, was sie sehr gut kleidete und die gebräunte Haut ihres glatten Gesichts hervorhob. Wenn sie lachte, glühten ihre blauschwarzen mandelförmigen Augen in jugendlichem Feuer; wenn sie aber plötzlich ein gepfeffertes Spottlied anstimmte, dann trat in ihre schönen Augen ein keineswegs mädchenhafter Glanz.
Ich bemerkte oft, daß die Dshigiten, besonders die Heimkehrer, ihr nachsahen. Dshamila schäkerte selbst gern mit ihnen, doch wenn sich einer vergaß, schlug sie ihm auf die Finger. Trotzdem berührte mich so etwas jedesmal schmerzlich. Ich war eifersüchtig wie ein jüngerer Bruder auf die Freunde seiner Schwester, und wenn ich in Dshamilas Nähe junge Männer erblickte, dann fuhr ich immer dazwischen. Ich plusterte mich auf, sah sie herausfordernd an, und mein Blick schien zu sagen: Scharwenzelt hier nicht herum, sie ist die Frau meines Bruders! Denkt ja nicht, daß sie keinen Beschützer hat!
In solchen Augenblicken mischte ich mich, ob es angebracht war oder nicht, betont nachlässig in die Gespräche ein, mit der Absicht, die Verehrer lächerlich zu machen. Wenn das nicht gelang, verlor ich die Selbstbeherrschung und schnaubte vor Wut. Die jungen Männer brachen dann gewöhnlich in lautes Lachen aus und riefen: „Oje, nun seht euch den an! Sie ist seine Dshene, nein, so ein Spaß! Und wir haben's gar nicht gewußt!"
Ich faßte mich, aber ich fühlte, daß sich meine Ohren verräterisch röteten und die Kränkung mir die Tränen in die Augen trieb. Doch Dshamila, meine Schwägerin, verstand mich. Mit Mühe unterdrückte sie das aufsteigende Lachen, machte ein ernstes Gesiebt und sagte: „Ihr dachtet wohl, die Dshene sei schutzlos? Vielleicht bei euch zu Hause, bei uns nicht! Komm, mein Kajyn, laß sie!" Sie nahm eine würdevolle Haltung an, warf stolz den Kopf zurück, zuckte herausfordernd mit den Schultern und ging still lächelnd mit mir davon.
Ich entdeckte in diesem Lächeln sowohl Unmut als auch Freude. Vielleicht dachte Dshamil2: Ach, du kleiner Dummer! Wenn ich wirklich einmal über die Stränge schlagen wollte, wer könnte mich daran hindern? Und wenn die ganze Familie aufpaßte, ihr hieltet mich nicht! Ich schwieg in solchen Fällen schuldbewußt. Ja, ich war eifersüchtig, ich vergötterte Dshamila, ich war stolz darauf, sie zur Schwägerin zu haben, ich war stolz auf ihre Schönheit und ihren unabhängigen freien Charakter. Wir waren die innigsten Freunde und hatten kein Geheimnis voreinander.
Zu jener Zeit gab es wenig Männer im Ail. Das nutzten manche Burschen aus; sie näherten sich den Frauen in frecher Weise, ohne viel Federlesens zu machen, denn man brauchte ja, so meinten sie, nur mit dem kleinen Finger zu winken, und jede beliebige kam gelaufen.
Während der Heuernte wurde einmal Osmon, ein entfernter Verwandter von uns, bei Dshamila zudringlich. Er war auch einer von denen, die glaubten, daß ihnen keine widerstehen könne. Dshamula, die im Schatten eines Heuhaufens saß, um ein wenig auszuruhen, stieß unwillig seine Hand zurück und sprang auf.
„Laß mich in Ruhe!" sagte sie traurig und 'wandte sich ab. „Ihr Herdenhengste habt ja nichts anderes im Sinn."
Osmon streckte sich behaglich im Heu aus und verzog geringschätzig die feuchten Lippen.
„Der Katze stinkt das Fleisch am übelsten, das hoch oben an der Stange hängt! Warum zierst du dich? Du willst es doch selber brennend gern, was rümpfst du die Nase?" Dshamila drehte sich brüsk um. „Vielleicht will ich es, vielleicht will ich es sogar brennend gern." Ihre Stimme bebte. „Unser Los ist schwer genug, und du Idiot, du freust dich noch. Selbst wenn ich hundert Jahre Soldatenfrau bleiben sollte, solche wie dich würde ich nicht einmal anspucken, das wäre mir schon zuwider. Ich möchte mal sehen, wer überhaupt mit dir reden würde, wenn kein Krieg wäre!"
„Das sage ich ja auch!" grinste Osmon. „Der Krieg! Du wirst noch toll werden ohne die Peitsche des Mannes!" Seine Augen blitzten lüstern hinter den schmalen Lidspalten. „Wenn du meine Frau wärst, würde ich dich nackt ausziehen, du Großbrüstige, dann würdest du ein anderes
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