DSR Bd 4 - Das Schattenlicht
authentische Gesetzlose, unverbesserliche, dreiste Unruhestifter einer höheren Klasse. Nur solchen Menschen, so meinte er, könnte er die Verantwortung anvertrauen, die er ihnen aufzuerlegen gedachte.
Er stolzierte durch einen der unteren Korridore des Justice House , wo Gefangene eingesperrt waren, die auf den letzten Beschluss zu ihrem jeweiligen Fall warteten. Jene, die ihn sahen, mochten Burleigh leicht für den Fürsten der Finsternis oder für einen seiner ranghohen Assistenten halten: Er war ganz in Schwarz gekleidet – mit einem schwarzen Reitumhang, der mit blutrotem Satin gesäumt war, mit hohen schwarzen Stiefeln und einem schwarzen Filz-Schlapphut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Sein Bart war kurz und zugespitzt wie ein Schürhaken, seine dunklen Augen waren im Schatten des Hutes verborgen. Alles in allem entsprach sein Äußeres diesem Erscheinungsbild, das man vom Fürsten der Finsternis hatte, als er die verlassenen Nebenwege des Gefängnisses dahinglitt. In der Tasche seines Mantels trug Seine Lordschaft seine sorgfältig vorbereiteten Papiere, eines für jeden der Männer, die er als würdig für weitere Überlegungen ausgewählt hatte. Jeder der Häftlinge, die sich hier aufhielten, war verurteilt worden; und auch der Letzte von ihnen wusste, welches Schicksal ihn erwartete. Keiner von ihnen war ein glücklicher Mann, und keiner hatte einen Grund, irgendetwas Gutes zu erhoffen. Dementsprechend hing eine alles durchdringende Atmosphäre der Düsternis und Verzweiflung wie eine stillstehende Wolke in den abgedunkelten Korridoren, durch die Lord Burleigh, der sich ein nach Lavendel duftendes Taschentuch vor die Nase drückte, von einem Wärter mit einer Laterne in der Hand geführt wurde.
»Haben Sie die Namensliste, die ich Ihnen geschickt habe?«, fragte Burleigh, dessen Stimme an den Stahltüren entlangschwirrte, die den Gang säumten.
»Gewiss, Sir«, nuschelte Warden Jacks und wählte einen Schlüssel von dem großen Ring in seiner Hand. »Das hab ich.«
»Waren Sie in der Lage, sie alle zu bekommen?«
»Alle außer einen, Sir. Und er wird nicht vermisst werden, mit Verlaub zu sagen. Wird in keiner Weise vermisst.«
»Wer ist es?«
»Burdock«, antwortete der Wärter. »Wurd diesen Morgen mit ’ner Klinge im Hals tot aufgefunden; also is er von Ihrer Liste gestrichen worden.«
»Was für ein Pechvogel«, erwiderte Burleigh. »Oh, na ja – einer weniger. Acht sind noch da.«
Der Wärter drehte den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die Tür. »Ein Tisch und zwei Stühle – wie befohlen, Sir«, sagte er. »Ich geh jetzt, und Sie können Platz nehmen, während ich den Ersten hereinhole. Irgendeinen Bestimmten, mit dem sie gern anfangen würden?«
»Bringen Sie sie einfach, so wie Sie sie antreffen, Warden«, entgegnete Burleigh und marschierte in die Zelle hinein.
»Wie Sie wünschen, Sir.«
Burleigh nahm den Stuhl hinter dem Tisch, wo zwei angezündete Kerzen in billigen Blechständern brannten. Die Luft in der Zelle war ranzig und stickig. Nachdem er seine Handschuhe ausgezogen und sein Taschentuch zusammengefaltet hatte, legte er sie beiseite. Er zog das Bündel Papiere aus seiner Manteltasche heraus, platzierte sie ordentlich vor sich auf dem Tisch, faltete dann seine Hände und wartete. Bald hörte er draußen das Getrippel von Schritten, und die Tür öffnete sich abermals. Warden Jacks und der erste Gefangene erschienen.
»Setz dich dorthin und mach keinen Mucks!«, ermahnte ihn Jacks. »Ich behalt dich im Auge.«
Der Gefangene nahm seinen Platz ein und betrachtete Burleigh mit der skeptischen Miene eines Mannes, der nicht bestimmen konnte, ob der Interessent vor ihm Gutes oder Schlechtes verhieß.
»Name?«, fragte Burleigh.
»Thompson«, antwortete der Mann. »Thomas Thompson.«
Burleigh durchsuchte seine Papiere und zog ein einzelnes Blatt hervor, das er in den Lichtschein der Kerze hielt. »Mord – ist das richtig, Thompson?«
»Das ist eine Lüge. Ich hab niemals niemanden getötet. Ich war noch nich mal in dem Pub zu der Zeit.«
»Stimmt das?« Diese strafmildernde Unklarheit war wahrscheinlich der Grund, weshalb Thompson nicht für den Galgen bestimmt war. Burleigh hob seine Augen und blickte zum Gefangenen, der ihm gegenüber am Tisch saß und dessen kantiges Gesicht im Kerzenlicht scharf geschnitten wirkte. »Erzähl mir, warum ich dir glauben sollte.«
»Ich hab ’ne Frau und drei Kleene, verstehen Se? Ich bin ihre einzige Stütze. Ich
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