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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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einen weiteren Schluck. »Erfüllen Sie den Rest der Abmachung, und ich werde Ihnen das Doppelte von dem geben, was in diesem Beutel ist, wenn ich die Lieferung akzeptiere.« Er nickte, als der Flusslotse das Silber vom Tisch nahm. »Nennen Sie es einen Bonus für einen gut gemachten Job. Sie können es mit Ihren Männern teilen, wie auch immer Sie wollen.«
    »Ich werde vor Mitternacht dort sein – vorausgesetzt, dass Ihre Schmeißfliegen sich mit der Ladung zeigen.«
    »Das ist selbstverständlich.« Burleigh rutschte von seiner Bank in der Nische und stand auf. »Ich bin zufrieden, dass wir miteinander übereinstimmen, Lotse Suggs. Ich werde Sie nun Ihrem Essen überlassen. Ab Einbruch der Dunkelheit werde ich an Bord der Percheron sein. Lassen Sie mich nicht länger warten, als ich muss.«
    »Keine Angst, Sir«, erwiderte ein glücklicher Seebär. »Sie können auf Smollet Suggs zählen.«

ZWEITER TEIL

ACHTES KAPITEL

    X ian-Li stand im Garten mit ihrer blauen Lieblingsschüssel, ließ durch ihre Finger die trockenen Küchenabfälle gleiten und durchsuchte sie. Umgeben von ihrer Schar braun gefleckter Hühner, die gackerten und scharrten, während sie ihnen Brotkrusten und Apfelschalen zuwarf, verspürte sie plötzlich ein Frösteln; unwillkürlich musste sie zittern. Der Tag war heiter und stürmisch, daher hatte sie ihr langes schwarzes Haar mit einem roten Tuch zusammengefasst. Sie betrachtete ihren Schatten am Boden: Die losen Enden des Tuches flatterten in der Brise, wodurch der Eindruck entstand, dass der Schatten selbst lebendig wäre.
    Obwohl die Sonne warm auf ihre Schultern schien, überkam sie ungefähr eine Minute später erneut ein Frösteln – diesmal begleitet von einem so starken Gefühl der Bedrücktheit oder großer Angst, dass sie mitten in der Wurfbewegung verharrte und die Hand voll Erbsenschoten in ihrer Faust festhielt. Sie drehte sich herum in der Erwartung, jemanden anzutreffen, der sie beobachten würde … Doch da war niemand. Der Garten war leer, die Diener befanden sich im Haus oder waren anderweitig und außer Sichtweite mit etwas beschäftigt.
    Das Gefühl einer bangen Vorahnung verstrich innerhalb eines Augenblicks, und Xian-Li fuhr fort, die Hühner zu füttern. Bald schon leerte sie die Schüssel, indem sie sie schüttelte und so die letzten Brocken auf die Erde beförderte. Sie klemmte sich das irdene Gefäß unter den Arm und begann, zum Haus zurückzukehren. Als sie die Hintertür erreichte, blickte sie auf – und da war er: Benedict, ihr kostbarer Sohn, stand im offenen Toreingang. Seine Hände waren leer, hingen einfach herab am Ende der schlaff baumelnden Arme; er trug weder Mantel noch Hut, und auf seinem Gesicht war ein Ausdruck völliger Trostlosigkeit und Leere. Die blaue Schüssel entglitt ihrem Griff, als sie vorwärtsrannte.
    »Beni!« Sie keuchte, als sie ihn in ihrer Umarmung an sich presste. »Oh, Beni! Du bist zurückgekehrt.« Sie schob ihn zurück und hielt ihn auf Armlänge von sich, sodass sie sein Gesicht sehen konnte. Etwas an seinem Erscheinungsbild hatte sich verändert; er schien älter zu sein als seine dreizehn Jahre. »Was ist passiert?« Sie blickte hinter ihn und hielt nach Arthur Ausschau. »Wo ist dein Vater?«
    »Mutter, ich …« Benedict brach ab; er war unfähig, den Satz zu beenden.
    Dann sah Xian-Li, dass er Schmerzen hatte und seine Haut bleich war, und seine Augen umgaben dunkle Schatten.
    »Bist du verletzt?« Sie musterte ihn und tastete mit ihren Händen nach Wunden. »Was ist geschehen?«
    Benedict holte tief Luft und antwortete: »Er kommt nicht.«
    »Kommt nicht? Arthur verspätet sich?«
    »Vater kommt nicht nach Hause«, verbesserte Benedict sie, seine Stimme zitterte. »Er wird niemals wieder nach Hause kommen …«
    Xian-Li suchte in seinem aschgrauen Gesicht nach Klarheit. »Ich verstehe nicht. Ist er verletzt?« Sie richtete sich auf, als bereitete sie sich darauf vor, zu ihrem verwundeten Ehemann zu fliegen und ihm zu helfen. »Wir müssen zu ihm gehen.« Sie drückte sich von ihm weg.
    »Mutter, warte!« Benedict ergriff ihren Arm. »Vater ist nicht verletzt. Er ist tot.«
    Sie hielt an, ihr Rücken versteifte sich.
    »Vater ist tot«, wiederholte er. »Er ist nicht verletzt. Er ist tot und beerdigt in einem Grabmal, Mutter, und er kommt niemals wieder nach Hause.«
    In diesem Moment floh alle Kraft aus ihr, und Xian-Li brach zusammen, als wären das Leben und der Atem mit einem Ruck aus ihrem Körper herausgerissen

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