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DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

DSR Bd 4 - Das Schattenlicht

Titel: DSR Bd 4 - Das Schattenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Strafverfolgungsgesetzes von 1776 waren diese Gefangenen die »scheußlicheren und frecheren Straftäter« und sollten daher einer »strengeren und wirksameren Bestrafung« unterworfen werden, die ansonsten von der Rechtsordnung seiner Majestät gewährt wurde. Ob vorherbestimmt für Tasmanien oder verbannt zu einem als Gefängnis dienenden, zerfallenden Schiffsrumpf – diese neun Schurken würden eine Menge Zeit im Bauch eines dreckigen, stinkenden Schiffes verbringen.
    Mehrere Monate lang hatte Burleigh gerichtliche Protokolle durchforstet, die als The Proceedings of the Old Bailey bekannt waren, und darin nach genau solchen Fällen gesucht, die ihm passende Kandidaten zur Verfügung stellen könnten. Sobald er einen geeigneten mutmaßlichen Täter fand, studierte er den individuellen Fall; dabei engte er seine Suche ständig ein, sodass er von einer großen Menge zu einer Hand voll von Anwärtern kam. Dann sichtete er diese Gruppe und trennte weiterhin die Spreu vom Weizen, bis er genau neun hatte. Diese Männer wollte er höchstpersönlich befragen.
    Doch so außergewöhnlich diese Prozedur auch sein mochte, es war überraschenderweise wenig Aufwand vonnöten, um sie umzusetzen; es erforderte lediglich den großzügigen Einsatz von verfügbarem Geld. Reichtum in Form von Silber, Gold, Diamanten und jeder anderen einlösbaren Handelsware war etwas, das Burleigh in einem nahezu unbegrenzten Angebot nunmehr besaß. Und der durch eigene Kraft zum Earl aufgestiegene Mann war jedes Mal aufs Neue beeindruckt, wie selbst die »unmöglichsten« Dinge mit einer kleinen alltäglichen Bestechung ganz mühelos bewerkstelligt werden konnten. Je großzügiger der Beitrag für die inoffiziellen Geldsäckel war, desto weiter schwangen die offiziellen Türen auf. Und was das Gefängnissystem anbelangte, schienen dort die Repräsentanten und Angestellten die Zahlungen »unter dem Tisch« als ein regulärer, erwarteter und notwendiger Bestandteil ihres kargen Lohns zu betrachten.
    Bei seinen Bestrebungen, ein paar nützliche Männer zu finden, gab sich Seine Lordschaft der Überlegung hin, wie extrem dünn doch die Linie war, die den Gefängniswärter von dem Gefangenen trennte: In vielen Fällen war dieser Streifen so schmal, dass er geradezu unsichtbar war. Wenn man einmal von der Tatsache absah, dass da ein Kerl in Ketten stand, deren Ende der andere Kerl in seiner Faust hielt, würde ein neutraler Beobachter in Verlegenheit kommen, wenn er den Unterschied erkennen sollte. Mit einer Regelmäßigkeit, die sowohl bemerkenswert als auch deprimierend war, bemerkte Burleigh, dass man den jeweiligen Halunken, der zu einer australischen Strafkolonie fortgeschickt wurde, wegen eines Verbrechens verurteilt hatte, das weit weniger schwerwiegend war als die Annahme des Bestechungsgeldes durch die Amtsperson.
    Deprimierend war auch die Tatsache, dass die Männer, über die er in den Proceedings of the Old Bailey las, genau derselben Klasse und demselben Hintergrund entstammten wie er selbst – ein paar kamen sogar aus genau demselben Slumviertel in London –, und dass sie zwangsläufig durch den gleichen Mangel an Bildung, Fähigkeiten, gesellschaftlichen Verbindungen und angemessenen Chancen behindert wurden. Während er über diese Männer und ihre Verbrechen las, dachte er, dass er leicht auch über sich selbst hätte lesen können. Wenn es nicht Granville Gower, Earl of Sutherland, gegeben hätte, wäre der junge Archie Burley einer der vielen Unglücklichen mit einem One-Way-Ticket zu einem kurzen, von brutaler Arbeit geprägten Leben in Down Under gewesen.
    Dennoch waren die Männer, für die sich Burleigh interessierte, weder Heilige noch Engel, die sich dessen nicht bewusst waren. Er interessierte sich nicht für unbedeutende Serientäter oder arme, unglückliche Trottel, die – wegen des Fehlens einer besseren Polizeiarbeit oder einer geeigneten gesetzlichen Vertretung – in Freiheit hätten herumlaufen können. Auch nicht für jene, für deren Verbrechen man recht gut mildernde Umstände hätte geltend machen können, wenn den Tatsachen des jeweiligen Falles ermöglicht worden wäre, voll und ganz zur Geltung zu kommen. Keiner von diesen war geeignet für seine besonderen Bedürfnisse. Als der Earl einen Fall nach dem anderen in den Proceedings of the Old Bailey genau studierte, suchte er es nach einer seltenen Gattung von Individuen ab: nach originären Straßenräubern. Seine Lordschaft wollte echte Übeltäter und Schurken,

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