Du bes Kölle: Autobiografie
nachhaltiger zerstört wurde als während des Kriegs. Köln strotzt nur so vor unansehnlichen Zweckbauten, und auch die Atmosphäre hat sich vielerorts gewandelt. Wer traut sich heutzutage schon noch nachts über die Ringe?!
Trotzdem bekommt diese Stadt den Hals nicht voll von sich – das war der Gedanke, mit dem dieses Lied entstand, das zum bisher erfolgreichsten meiner Solokarriere wurde. Köln ist alles: der FC, der Dom, der Heinzelmännchenbrunnen. Und wenn dir das alles nicht genug ist, liebes Köln, dann bist du auch noch der Rhein und das Bahnhofsklo. Kannst du alles haben, kannst du alles sein, aber jetzt lass mich auch endlich mal in Ruhe mit deinem Gesabber! Selbstverständlich steckt hinter diesem Text eine Hassliebe. Köln hat mich ausgespuckt, ich lebe hier und verdiene hier meinen Unterhalt, indem ich Lieder im Dialekt dieser Stadt singe. Darüber bin ich durchaus froh, aber das zwingt mich zugleich in einen permanenten Zwiespalt.
Der Titel »Du bes Kölle« ergibt erst mit seiner Fortsetzung richtig Sinn: »ob de wells oder och nit«. Denn darum geht es: Dagegen, dass du hier geboren bist, kannst du nichts tun. Aber mit diesem Anfang hast du auch eine Verbindung zu dieser Stadt, die du irgendwie gestalten musst. Ich bin nicht bereit, alles hinzunehmen, was hier läuft. Und wenn wieder mal etwas angeflogen kommt, warte ich lieber, bis es nah genug ist, um genau hinzuschauen. Diese kritische Distanz habe ich versucht in »Du bes Kölle« auszudrücken.
Der Text beginnt ohne lange Vorwarnung: »Du bes Oberbürjermeister«. Mir wäre sogar am liebsten gewesen, wenn wir den Song ganz ohne Vorspiel belassen hätten. So wie bei »Frankreich Frankreich«, wo die Musik erst nach »Ich kauf mir ein Baguette« einsetzt. Und ganz nebenbei habe ich mir beim Texten ja auch meine Späßchen erlaubt. Da ist vom »Neven un Dumont« die Rede, und vielleicht hat der Mann ja auch tatsächlich seine zweite Seite, die von der öffentlichen abweicht. »Oppenheim und Cie« wiederum steht für den Kölner Geldadel, für die Maggelei hinter den Kulissen.
»Du bes Kölle« wurde 2006 zunächst als Single veröffentlicht, und der Erfolg startete fast ohne mein Zutun. Das war eine Nummer, die erst mal alles andere zur Seite drückte. Ich trete im Karneval bekanntlich nicht mehr auf, aber das Lied lief in sämtlichen Radios und Kneipen rauf und runter. Und bei der Mitsinginitiative »Loss mer singe« belegte es mit einem Riesenabstand den ersten Platz.
So einen Song will jeder schreiben, »Du bes Kölle« stellte die anderen kölschen Bands sicherlich vor Probleme. Jede große Band hat ihre Hits, die zu Evergreens wurden und nicht kaputt zu kriegen sind. Was bei den Stones »Satisfaction« und bei den Fööss »Mer losse d’r Dom en Kölle« ist, ist bei mir nun »Du bes Kölle«. Das wollen die Leute bei jedem Gig aufs Neue hören, und ich muss sagen, ich singe dieses Lied auch immer wieder gern. Weil es gut ist! Ich bin ja nicht David Bowie, der den Leuten »Major Tom« verweigert.
Das Video zu »Du bes Kölle« haben wir mit dem Regisseur Fiete Schaller gedreht, der unter anderem für den WDR die alljährliche Fernsehsitzung aufzeichnet. Unsere ebenfalls vom WDR finanzierte Produktion war ziemlich aufwendig. In einer Szene stehe ich auf der höchsten Plattform des KölnTriangle und werde von einem Hubschrauber umkreist. Sehr schön fand ich auch das Zusammentreffen von Roten und Rosa Funken, was ja nun nicht gerade alltäglich ist. Und wie in einem Roadmovie verlief die Szene in der Straßenbahn. Da sind wir einfach mit dem ganzen Kamerateam rein, haben die Musik aufgedreht, und dann fing ich an zu singen. Im Video sieht man sehr schön, dass die Leute davon völlig überrascht wurden.
Dass der Song trotz aller Köln-Kritik zur Hymne wurde, war natürlich auch von Anfang an mitangelegt. Nicht zuletzt durch die schöne Musik, die Jürgen Fritz dafür geschrieben hat und die den Text, wie ich finde, wunderbar transportiert. Und vielleicht hängt der Erfolg ja auch damit zusammen, dass die Menschen den Text genau in seiner Zwiespältigkeit, also auch zwischen den Zeilen, verstanden haben. Das würde mich freuen.
KULTIVIERTER MÜSSIGGANG
Selbstbesoffenheit macht träge, ein Gemütszustand, mit dem ich nichts anfangen kann. Wenn es darum geht, ein bisschen Ruhe und Frieden zu finden, spreche ich gern vom »kultivierten Müßiggang«. Das ist für mich ein zugleich sehr einfaches und komplexes Phänomen. Ganz schlicht
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