Du bist in meiner Hand
dich wissen zu lassen, dass ich bei meiner Abreise aus Goa völlig am Ende war. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich bin wirklich ein Idiot erster Güte. Es tut mir leid, dass ich dich hintergangen habe. Das ganze Desaster mit Tera tut mir leid. Du hattest ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, aber es war mir einfach zu peinlich.
Im Moment bin ich in den USA. Wir haben Sita gefunden. Vielleicht erzähle ich dir eines Tages die ganze Geschichte, wenn du magst, aber aufdrängen werde ich sie dir nicht. Wie es bei mir nun weitergehen soll, weiß ich nicht – mal abgesehen davon, dass ich sie nach Hause bringen und mein Jahr bei CASE zu Ende machen möchte. Über meine weitere Zukunft kann ich noch nichts sagen, außer dass ich hoffe – bitte glaube mir –, von Herzen hoffe, dass du ein Teil davon sein wirst.
Ich habe eben ein Gedicht geschrieben. Ich weiß nicht genau, was es bedeutet, aber irgendwie bringt es mein Leben besser auf den Punkt als alles andere. Ich schicke es dir als Anhang. Ob du mir nun antwortest oder nicht, du sollst auf jeden Fall wissen, dass ich dich liebe.
Kaum hatte er die Nachricht gesendet, wurde auch schon sein Flug aufgerufen. Durchs Fenster schweifte sein Blick noch einmal zu den Wolken hinaus, die hoch oben am Himmel das letzte Licht des Tages reflektierten. Dann griff er nach seiner Laptop-Tasche und reihte sich in die Warteschlange ein. Der Gedanke, gleich ins Flugzeug zu steigen und diesen Wolken hinterherzujagen, erfüllte ihn mit Freude.
33
Lass dein Herz nicht belasten von dem,
was vergangen und vorbei.
RAMAYANA
Atlanta – Georgia
Am Morgen des 24. März entschied das Jugendgericht von Fulton County, dass Sita nach Indien zurückkehren konnte. Die amerikanische und indische Regierung kamen überein, dass FBI-Agentin Dodd – die Spezialistin für Opferbetreuung – für die Dauer der Reise die Vormundschaft für Sita übernehmen sollte, und Thomas wurde den beiden ganz offiziell als Begleitperson zur Seite gestellt.
Der Gesandte der indischen Botschaft veranlasste, dass eine Abordnung des CBI sie am Flughafen von Bombay in Empfang nehmen sollte. Außerdem versprach er, dafür zu sorgen, dass Sita mit Ahalya in der Einrichtung der Barmherzigen Schwestern untergebracht wurde. In Thomas’ Namen leitete Agent Pritchett noch eine besondere Bitte bezüglich des Holi-Feitertags weiter, die der Diplomat nur allzu gern zu erfüllen versprach.
Als schließlich alles arrangiert worden war, fuhr Pritchett die drei zum Flughafen. Agentin Dodd, eine mütterliche Mittvierzigerin, saß auf dem Beifahrersitz, Sita mit Thomas hinten. Da Sita die vergangenen vierzehn Tage aus bürokratischen Gründen quasi in Isolationshaft verbracht hatte, war sie begierig darauf, zu erfahren, wie es ihrer Schwester ging. Thomas beantwortete alle ihre Fragen so genau, wie er nur konnte, und beschönigte dabei nichts. Lediglich die Schwangerschaft ließ er unerwähnt, weil er fand, dass Ahalya ihr das selbst sagen sollte.
Am Flughafen begleitete Pritchett sie noch zu ihrem Boarding-Gate, wo er Thomas die Hand gab und ihn noch einmal an die Verpflichtung zur Verschwiegenheit erinnerte, die er unterzeichnet hatte. Dann wandte er sich an Sita, die sich mit einer scheuen Umarmung von ihm verabschiedete, ehe sie sich mit Thomas und Agent Dodd in die Warteschlange einreihte.
In den späten Abendstunden des nächsten Tages erreichten sie das riesige, mit Lichtern übersäte Stadtgebiet von Bombay. Zwei CBI-Beamte nahmen sie am Gate in Empfang und begleiteten sie durch den Zoll zu einem vor dem Gebäude bereitstehenden Land Rover. Anschließend holte einer der beiden noch ihr Gepäck, und dann ging es los.
Sita blickte während der ganzen Fahrt auf die mitternächtliche Stadt hinaus. Ihre Rückkehr in die Arme von Mutter Indien löste widerstreitende Gefühle in ihr aus: Zorn und Kummer, wenn sie an die Gewalt dachte, die Ahalya angetan worden war, tiefe Trauer beim Gedanken an ihre ausgelöschte Familie, Unsicherheit hinsichtlich ihrer eigenen Zukunft, und auch Angst, weil sie wusste, dass Suchir sich in der Stadt aufhielt. Doch trotz all der Beklemmung, die diese Heimkehr in ihr weckte, konnte nichts die überwältigende Freude und Erleichterung trüben, die sie empfand. Während sie die feuchtwarme Luft von Bombay in sich aufsog, fielen ihr all die Gründe wieder ein, warum sie ihr Land liebte. Hier war ihre Heimat, auch wenn diese ihr tiefe Wunden zugefügt hatte.
Die Beamten vom CBI – die sich
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