Du bist nie allein
weiß nicht, was ich glauben soll.«
Julie zuckte zusammen. Am liebsten hätte sie sich umgehend zur Wehr gesetzt, ihn angebrüllt oder zum Gehen aufgefordert. Doch sie hielt sich zurück, denn Richards Worte hallten ihr durch den Kopf.
Jede Wette, du hast ihm nicht erzählt, dass ich bei dir übernachtet habe. Was meinst du, wie er das wohl aufnehmen würde?
Plötzlich wusste sie, dass auch dies zu Richards Plan gehört hatte. Er manipulierte sie, genau wie er Pete Gandy manipulierte. Sie holte tief Luft und gab sich Mühe, ruhig und ohne Zorn zu reden.
»Glaubst du wirklich, Mike, dass ich mit einem Mann ins Bett gehe, den ich kaum kenne, obwohl ich ihm gerade gesagt habe, es sei aus? Über den ich dir erzählt habe, dass ich ihn nicht mal
leiden
kann? Nach all den Jahren, die du mich kennst, glaubst du wirklich, ich würde so was tun?«
Mike starrte Julie an. »Ich weiß es nicht.«
Seine Worte waren wie ein Schock, und ihr kamen die Tränen. »Ich war nicht mit ihm im Bett!«
»Vielleicht nicht«, murmelte Mike. »Aber der Gedanke, dass du mir nicht vertraut hast, tut trotzdem weh.«
»Ich vertraue dir doch! Aber ich wollte dir nicht wehtun.«
»Du hast mir aber jetzt wehgetan, Julie«, sagte er, ergriff den Türknauf und öffnete die Tür.
»Warte – wo willst du hin?«
Mike hob die Hände. »Ich brauche etwas Zeit für mich, okay? Ich muss in Ruhe nachdenken.«
»Bitte, geh nicht«, drängte sie. »Ich will heute Nacht nicht allein sein.«
Mike schien zu zögern. Doch dann schüttelte er den Kopf und war verschwunden.
Richard beobachtete, wie Mike die Einfahrt hinabkam, in seinen Pickup stieg und die Wagentür zuknallte.
Er lächelte. Nun musste Julie endlich die Wahrheit über Mike erkennen. Dass auf ihn kein Verlass war. Dass Mike ein Mensch war, dessen Handeln impulsiv und von Gefühlen bestimmt war, nicht von Vernunft. Dass Mike ihrer nicht würdig war. Dass sie jemanden verdiente, der stärker war, intelligenter, und ihrer Liebe würdig.
Richard konnte es kaum erwarten, sie aus diesem Haus zu führen, aus dieser Stadt, diesem Leben, in das sie sich verstrickt hatte. Er hob die Kamera wieder an die Augen und beobachtete Julies Schatten durch die Vorhänge.
Selbst ihr Schatten war wunderschön.
Kapitel 33
» W as sagst du da?«, fragte Henry ungläubig.
»Du hast mich schon richtig verstanden«, antwortete Mike. »Sie hat ihn bei sich übernachten lassen.« Während der viertelstündigen Fahrt zu Henry war Mike nur noch wütender geworden. Jetzt standen sie bei seinem Bruder im Vorgarten. Emma öffnete kurz die Tür und fragte, was los sei, aber Mike verstummte sogleich und starrte sie nur an. Er war sicher, dass sie längst wusste, was Julie getan hatte. Henry hob beruhigend die Hand.
»Nur noch eine Minute, Em. Mike ist im Moment ziemlich außer sich.«
Bevor sie ins Haus zurückging, warf Emma Henry einen Blick zu, der eindeutig besagte: Ich erwarte später einen Bericht. Henry wandte sich wieder zu seinem Bruder um.
»Das hat sie dir erzählt?«, fragte er.
»Ja, als die Polizei da war…«
»Moment mal«, sagte Henry, »die Polizei war schon wieder da? Warum denn?«
»Wegen des Medaillons. Richard hat Fotos von sich hineingesteckt. Was zum Henker soll ich jetzt tun?« Henry bemühte sich, Mikes Worten zu folgen, begriff aber immer weniger. Schließlich legte er Mike die Hand auf den Arm.
»Jetzt beruhige dich erst mal, Mike. Und dann erzählst du alles der Reihe nach.«
»Wie lange wollen Sie denn noch die Beleidigte spielen?«, fragte Pete Gandy.
Sie rollten gemächlich im Streifenwagen durch das verlassene Geschäftsviertel. Jennifer Romanello hatte kein Wort gesagt, seit sie Julies Haus verlassen hatten.
Jennifer sah aus dem Seitenfenster.
»Immer noch sauer wegen der Sache mit Mike Harris?«, fragte Pete. »Falls ja, dann müssen Sie lernen, mit so etwas umzugehen. Unser Job ist eben nicht immer leicht.«
Jennifer warf ihm einen angewiderten Blick zu. »Mag schon sein«, sagte sie, »aber so unmöglich wie Sie muss man sich auch nicht aufführen.«
»Was reden Sie da? Ich habe mich nicht unmöglich aufgeführt.«
»Nein? Warum haben Sie denn dann dieses leidige Thema in Mikes Beisein angesprochen? Dazu bestand keinerlei Grund.«
»Dass Richard bei ihr übernachtet hat, meinen Sie?«
Jennifer erwiderte nichts. Pete
wusste,
dass dies der Grund ihrer Verstimmung war.
»Warum regen Sie sich so auf? Es stimmte doch, oder?«
Der Typ ist wirklich das Letzte, dachte
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