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Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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sie mit ihm im Bett war.«
    »Und warum bist du dann so sauer?«
    »Sie hat mich angelogen.«
    »Nein, das stimmt nicht. Sie hat es dir nur nicht erzählt.« »Das ist dasselbe.«
    »Nein, eben nicht. Meinst du, ich erzähle Emma alles?
    Jede einzelne unwichtige Geschichte?«
    »Diese Geschichte war wichtig, Henry!«
    »Offenbar nicht für sie, Mike.«
    »Wie kann sie unwichtig sein? Nach allem, was vorgefallen ist?«
    Auch wieder wahr, dachte Henry. Natürlich hätte Julie Mike davon erzählen sollen.
    »Also, was hast du jetzt vor?«
    Mike zögerte lange mit der Antwort. »Ich weiß es nicht.«
    Richard sah Julies Schatten auf dem Sofa. Er wusste genau, dass sie weinte, und hätte sie gern in den Arm genommen, sie getröstet, ihren Schmerz gelindert. Er legte den Finger an die Lippen, wie um sie zum Schweigen zu bringen. Ihre Gefühle waren auch seine, auch er fühlte sie deutlich: ihre Einsamkeit und Furcht, ihr Herzeleid. Zum ersten Mal rührten ihn fremde Tränen.
    Nicht einmal in den Monaten nach der Beerdigung seines Vaters, wenn er seine Mutter weinen sah, hatte er so empfunden. Aber er hatte sie schließlich auch zu hassen gelernt.
    Mike war auf der Heimfahrt, und noch immer überschlugen sich die Gedanken in seinem Kopf.
    Julie hätte es mir sagen sollen, dachte er wieder. Ja, er wäre ausgeflippt, aber er wäre darüber hinweggekommen. Er liebte sie, und was war Liebe ohne Vertrauen oder Aufrichtigkeit?
    Auch auf Henry war er wütend, weil er den Vorfall so leichthin abtat. Vielleicht wäre er anderer Meinung, wenn Emma ihn einmal betrogen hätte. So wie er, Mike, vor ein paar Jahren von Sarah betrogen worden war. Wie hieß es immer? Gebranntes Kind scheut das Feuer.
    Nur, dass Julie ihn nicht betrogen hatte.
    Aber sie hatte ihm auch nicht vertraut. Und nur darum ging es hier. Um Vertrauen. Jim hätte sie die Geschichte erzählt, daran hatte Mike keinen Zweifel. Warum dann nicht auch ihm? War ihre Beziehung so anders? Liebte sie ihn nicht?
    Richard verbarg sich nach wie vor hinter den Bäumen und dachte über seine Mutter nach.
    Nach der Beerdigung seines Vaters hatte er gehofft, sie würde sich erholen und eine starke Frau werden. Doch stattdessen hatte sie selbst zu trinken begonnen und kettenrauchend in der Küche gehockt. Irgendwann war auch sie gewalttätig geworden, als wolle sie damit das Andenken an ihren Mann wach halten. Als es das erste Mal geschah, lag Richard schlafend im Bett und wurde von einem brennenden Schmerz geweckt. Es war, als würde ein Streichholz gegen ihn gehalten.
    Seine Mutter stand mit wildem Blick vor ihm, und der Gürtel seines Vaters baumelte von ihrer Hand. Sie hatte ihren Sohn mit der Gürtelschnalle geschlagen.
    »Du bist schuld!«, kreischte sie. »Du hast ihn immer wütend gemacht!«
    Immer wieder schlug sie zu. Bei jedem Hieb duckte sich Richard, flehte sie an aufzuhören, und versuchte sich zu schützen, aber sie schwang den Gürtel so lange, bis sie keine Kraft mehr in den Armen hatte.
    In der folgenden Nacht geschah es wieder, aber diesmal hatte er schon damit gerechnet und die Prügel mit demselben stillen Zorn hingenommen wie früher die Gewaltausbrüche seines Vaters. In jener Zeit, als seine Mutter ihn wieder und wieder prügelte, lernte er sie hassen. Er wusste jedoch, dass er nicht sofort etwas gegen sie unternehmen konnte. Nicht, solange die Polizei noch misstrauisch war wegen der Todesursache bei seinem Vater.
    Neun Monate darauf – Richards Beine und sein Rücken waren inzwischen völlig vernarbt – zerstieß er die Schlaftabletten seiner Mutter zu Pulver und kippte es in ihren Wodka. Sie schlief ein und wachte nie wieder auf.
    Morgens, als er vor ihrem Bett stand und auf sie hinabstarrte, ging ihm durch den Kopf, wie beschränkt sie gewesen war. Obwohl sie ihn in Verdacht hatte, etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun gehabt zu haben, wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass ihr dasselbe blühen könnte. Sie hätte wissen müssen, dass er stark genug war, um sich aus ihren Fängen zu befreien. Auch Julie war stark genug gewesen, ihr Leben zu ändern. Julie war eine Kämpfernatur.
    Das bewunderte er an ihr. Das liebte er an ihr.
    Deshalb war es an der Zeit, den Kampf zu beenden. Richard war sicher, dass Julie ihm nun zustimmen würde. Nun, da das Intermezzo mit Mike vorüber war, hatte es keinen Sinn, das Unvermeidliche aufzuschieben. Langsam kam Richard zwischen den Bäumen hervor.
    Jennifer Romanello und Pete Gandy fuhren an der AmocoTankstelle vorbei

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