Du bist nie allein
tief Luft.
»Ja, kapiert«, sagte Mike. »Ich bin nur völlig außer mir. Entschuldigung.«
Jennifer wandte sich nun an Julie.
»Mabel erzählte, Mikes Schwägerin Emma hätte Richard und Andrea zusammen in Morehead City gesehen, richtig?«
»Ja«, antwortete Julie, »vor ein paar Tagen. Genauer gesagt an dem Tag, als ich ihm im Wald hinter meinem Haus begegnet bin.«
»Und niemand von Ihnen wusste, dass er sich mit ihr traf? Oder ob sie ein Verhältnis hatten?«
»Nein«, sagte Julie. »Davon hat sie mir nichts erzählt. Bei Emmas Anruf habe ich zum ersten Mal davon gehört.«
»Mabel?«
»Nein. Mir war es auch nicht bekannt.«
»Und gestern ist sie nicht zur Arbeit gekommen?«
»Nein.«
»Kam Ihnen das nicht seltsam vor? Wo Sie doch wussten, dass sie mit Richard gesehen wurde?«
»Natürlich waren wir unruhig, aber Sie müssen wissen, dass es nicht das erste Mal war, dass Andrea nicht zur Arbeit erschienen ist, ohne Bescheid zu sagen«, erklärte Mabel. »So ist sie nun mal.«
»Hat sie denn in den anderen Fällen nie angerufen?«
»Manchmal, aber eben nicht immer.«
Jennifer wandte sich wieder an Julie. »Warum haben Sie gestern Abend, als Officer Gandy und ich bei Ihnen waren, nichts über die Sache mit Andrea und Richard gesagt?«
»Ich habe einfach nicht daran gedacht. Ich war so außer mir wegen des Medaillons, und dann, nachdem Pete die andere Sache ins Spiel gebracht hat…«
Jennifer nickte. Sie wusste genau, was Julie meinte. »Ob Emma wohl herkommen könnte? Mich würde interessieren, ob sie uns weitere Einzelheiten erzählen kann.«
»Kein Problem«, sagte Henry. »Ich rufe sie an.«
Um sicher zu sein, dass sie alles richtig notiert hatte, ging Jennifer die Abfolge der Geschehnisse noch einmal durch und stellte dann Fragen allgemeinerer Art – wo Andrea verkehrte, was für Freunde sie hatte, wer ansonsten mit der Sache zu tun haben könnte. Das war die übliche Prozedur, denn mangelnde Ermittlungen in andere Richtungen konnten, wie sie wusste, von der Verteidigung vor Gericht als Befangenheit der Polizei deklariert werden.
Julie vermochte sich kaum zu konzentrieren. So sehr die Sache mit Andrea sie auch mitnahm, sie musste permanent daran denken, dass Richard
ihr
seit Wochen gefolgt war. Dass er in ihrem Haus gewesen war. Und dass sie vielleicht als Nächste dran war.
Endlich tauchte Emma auf, die Augen rot vom Weinen. Jennifer stellte ihr behutsam einige Fragen.
Emma wusste auch nicht mehr zu berichten als Julie und Mabel, aber sie nannte den Polizisten wenigstens den Namen der Bar, wo sie die beiden gesehen hatte – Mosquito Grove, am Hafen.
Anschließend ließ Jennifer ihren Blick durch den Raum schweifen. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich an Andreas Platz einmal umsehe?«, fragte sie. »Vielleicht hat sie irgendetwas hinterlassen, woraus wir schließen können, seit wann sie sich mit Richard trifft, oder ob dies das erste Mal war.«
»Bitte, schauen Sie sich nur um«, sagte Mabel.
Jennifer zog einige Schubladen auf und sah kurz hinein. Dann entdeckte sie ein Bild von Andrea, das an den Spiegel geklemmt war.
»Darf ich mir das ausleihen? Nur für alle Fälle?«
»Sicher.«
Mabel nickte.
Jennifer musterte das Foto und schaute dann hoch. »Okay«, sagte sie, »das war’s fürs Erste.«
Die anderen nickten stumm. Jennifer trat auf Mike und Julie zu. Nachdem sie so lange mit ihnen in Julies Küche gesessen hatte, empfand sie beinahe freundschaftliche Gefühle für sie.
»Hören Sie«, sagte Jennifer, »falls Richard wirklich der Täter ist, ist er zu allem fähig. Die Misshandlungen waren äußerst brutal. Wenn er es war, ist er geisteskrank. Ich möchte, dass Sie das immer im Kopf behalten.«
Mike schluckte, seine Kehle war trocken.
»Treffen Sie Vorkehrungen, um sich zu schützen«, bat Jennifer. »Alle beide.«
Jennifer und Pete verließen schweigend den Salon. Pete war in ihrer Achtung gestiegen, nicht nur, weil er ihr das Reden überlassen hatte, sondern auch wegen der neuen Entschlossenheit, die aus seiner grimmigen Miene sprach.
Im Wagen steckte er den Schlüssel in die Zündung, lehnte sich dann aber zurück, ohne den Motor anzulassen, und starrte durch die Windschutzscheibe.
»Sie schneidet mir immer die Haare«, sagte Pete schließlich.
»Andrea?«
»Ja. Deshalb habe ich sie gestern Nacht auch erkannt.«
Jennifer schwieg und sah, wie Pete die Augen schloss.
»Das hat sie nicht verdient«, sagte er. »So was hat niemand verdient.«
Jennifer legte
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