Du bist nie allein
aber außerstande dazu, bis er hinter sich eine Stimme hörte. Er schaute sich um. Drew, der Sänger der Band, stand an seinem Tisch. »Hey, Mike«, sagte Drew, »hast du kurz Zeit? Ich wollte was mit dir besprechen.«
Eine Stunde später, Cobra war inzwischen sternhagelvoll, suchte Andrea die Toilette auf. Während sie in der Schlange wartete, hielt sie Ausschau nach Richard, wie schon die ganze Zeit, seit sie ihn vorhin entdeckt hatte. Er und Julie verließen gerade die Tanzfläche. Richard beugte sich zu Julie, flüsterte ihr etwas ins Ohr und steuerte dann auf die Herrentoilette zu.
Weil er direkt an ihr vorbeikommen würde, fuhr sich Andrea rasch mit der Hand durchs Haar und zupfte Rock und Oberteil zurecht. Sie trat aus der Schlange vor und fing Richard ab.
»Hey, Richard«, sagte sie munter, »wie geht’s?« »Prima, danke«, sagte er. Es dauerte zwar einen Moment, aber dann erkannte er sie. »Andrea, richtig?«
Sie lächelte und dachte: Ich wusste, dass er sich erinnert. »Ich hab Sie hier noch nie gesehen«, sagte sie.
»Bin auch das erste Mal hier.«
»Gefällt’s Ihnen denn?«
»Nicht so richtig…«
»Oh, na ja, mir auch nicht, aber so viel Auswahl hat man hier leider nicht. Ist eben eine Kleinstadt, wissen Sie?«
»Das ist mir auch klar geworden«, sagte er.
»Freitags ist es aber besser.«
»Ach ja?«
»Ja. Da komm ich fast immer hierher.«
Richard zögerte, sah Andrea direkt an und hielt ihren Blick fest, dann nickte er in Julies Richtung.
»Hören Sie – ich würde mich gern länger unterhalten, aber ich kann nicht.«
»Weil Sie mit Julie hier sind?«
Er zuckte die Achseln. »Bin mit ihr verabredet.«
»Ja, ich weiß«, sagte Andrea.
»Tja – war nett, Sie wiederzusehen«, sagte er.
»Danke. Finde ich auch.«
Dann stieß er die Toilettentür auf und ließ sie hinter sich zufallen. Während Andrea die Tür anstarrte, kam Cobra von hinten angewankt, unflätig etwas von Körperfunktionen vor sich hin murmelnd.
Sobald er Richard durch die Tür gefolgt war, entschied Andrea, dass es Zeit war zu gehen.
Wenn sie Cobra noch einmal ansehen musste, wäre das Gefühl dahin, das sie beim Blick in Richards Augen empfunden hatte.
Kurz nach Mitternacht, die Welt schimmerte silbern, stand Julie mit Richard auf der Veranda. Frösche und Grillen lärmten, eine sachte Brise bewegte die Blätter, und sogar Singer schien Richard etwas freundlicher gesinnt. Obwohl er durch die Vorhänge lugte und sie aufmerksam beäugte, gab er keinen Laut von sich.
»Danke für den schönen Abend«, sagte Julie.
»Gern geschehen. Ich hab mich wunderbar amüsiert.« »Auch im Clipper?«
»Da du deinen Spaß hattest, bin ich froh, dass wir hingegangen sind.«
»Nicht unbedingt dein Fall, hm?«
Richard zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt, ein etwas intimeres Lokal wäre mir lieber gewesen. Wo wir allein gewesen wären, nur du und ich.«
»Wir waren doch allein.«
»Nicht die ganze Zeit.«
Sie sah ihn fragend an.
»Hat es dich gestört, dass wir kurz bei meinen Freunden gesessen haben?«, fragte sie. »Dachtest du, dass ich mich in deiner Gegenwart nicht wohl fühle?«
»Ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte. Frauen benutzen das manchmal als eine Art Ausweg, wenn sie von einem Date enttäuscht sind. Nach dem Motto: ›Hilfe! Rettet mich!‹«
Julie lächelte. »Ach, überhaupt nicht. Bei ihnen wäre ich heute Abend zum Essen eingeladen gewesen, und als ich sie sah, wollte ich wenigstens kurz Hallo sagen.«
Richards Blick schweifte zur Verandalampe und wieder zurück zu Julie. »Hey… hör mal, ich weiß, ich war ein bisschen still. Tut mir Leid. Ich weiß in solchen Situationen nie so recht, was ich sagen soll.«
»Sie fanden dich bestimmt nett.«
»Bei Mike bin ich mir da nicht so sicher.«
»Mike?«
»Er hat uns beobachtet.«
Das hatte sie zwar nicht bemerkt, aber es überraschte sie nicht sonderlich. »Mike und ich kennen uns schon seit Jahren«, sagte sie. »Er kümmert sich um mich. Mehr nicht.«
Richard schien darüber nachzudenken. Endlich huschte ein kurzes Lächeln über sein Gesicht. »Okay«, sagte er. Für ein Weile blieb es still. Dann trat Richard auf Julie zu.
Obwohl sie diesmal damit rechnete und sich auch wünschte, dass er sie küsste – zumindest
glaubte
sie, es sich zu wünschen –, empfand sie eindeutig eine gewisse Erleichterung, als er sich kurz darauf zum Gehen wandte.
Kein Grund, irgendetwas zu überstürzen, dachte sie. Wenn der rechte Moment da ist,
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