Du bist nie allein
ebenfalls nicht angerufen und war nicht bei ihm vorbeigekommen, sondern hatte sich offenbar zum dritten Mal mit Richard verabredet.
Was also sollte er tun? Er konnte doch wohl schlecht einfach im Salon aufkreuzen und sie um ein Date bitten! Gewiss war sie bereits mit Richard verabredet – und was sollte er da sagen?
Ach, Samstag hast du schon was vor? Wie wär’s dann am Freitag? Oder nächste Woche vielleicht? Wollen wir mal zusammen frühstücken?
Ein Plan.
Mike schüttelte den Kopf. Das Schlimmste an dem Ganzen war ja, dass er so einsam war.
Während der letzten Jahre war es ihm zur Gewohnheit geworden, mindestens einmal am Tag mit Julie zu reden. Manchmal sogar öfter.
Es fehlte ihm, mit ihr zu plaudern, sie lächeln zu sehen, sie lachen zu hören. Zu sehen, wie ihre Augenfarbe spätnachmittags, wenn die Sonne schon tief stand, von Grün in Türkis überzugehen schien. Zu hören, wie sie hastiger Luft holte, wenn sie sich dem Ende einer lustigen Geschichte näherte. Zu spüren, wie sie ihn manchmal in den Arm knuffte.
Vielleicht sollte er einfach rübergehen und mit ihr reden, wie sonst auch, als hätte sich zwischen ihnen nichts verändert. Vielleicht sollte er ihr sogar sagen, wie sehr es ihn freute, dass sie sich neulich Abend gut amüsiert hatte, ganz wie Mabel oder Henry oder Emma das sagen würden.
Nein, dachte er in einem jähen Sinneswandel. So weit werde ich nicht gehen. Es gibt keinen Grund, so dick aufzutragen. Eins nach dem anderen.
Aber reden
werde
ich mit ihr.
Das war kein besonders toller Plan, aber mehr wollte ihm nicht einfallen.
Kapitel 8
» H ey Julie«, rief Mike, »warte mal!«
Julie, die gerade auf ihr Auto zuging, drehte sich um und sah Mike im Laufschritt auf sich zukommen. Singer trottete in seine Richtung los und kam als Erster bei ihm an. Er hob erst die eine, dann die andere Pfote, als hätte er sich Mike am liebsten geschnappt, um ihn ausgiebig und freundlich abzuschlabbern. Mike wich ihm aus – so gern er Singer auch hatte, ein bisschen widerlich war es schon, mit Hundespeichel überzogen zu werden – und tätschelte ihn stattdessen. Genau wie Julie redete er mit Singer, als sei er ein Mensch.
»Hab ich dir gefehlt, Großer? Ja, ja, du hast mir auch gefehlt. Wir sollten mal wieder was zusammen machen.«
Singer stellte interessiert die Ohren auf, und Mike schüttelte den Kopf.
»Heute kein Frisbee – tut mir Leid. Ein andermal.«
Als Mike auf Julie zuging, trabte Singer neben ihm her und stupste ihn verspielt an – wobei verspielt natürlich relativ war. Mike wäre bei dem Stoß fast gegen den Briefkasten getaumelt, fing sich aber mit knapper Not.
»Ich glaube, du solltest mit deinem Hund öfter spazieren gehen«, sagte er zu Julie. »Er leidet offenbar unter Bewegungsmangel.«
»Er ist nur aufgeregt, weil wir dich getroffen haben. Wie geht’s dir? Hab dich ja in letzter Zeit nicht viel gesehen.«
»Gut. Hab nur viel zu tun.«
Mike kam nicht umhin, zu bemerken, wie grün ihre Augen heute waren. Wie Jade.
»Ich auch«, sagte sie. »Wie war es neulich Abend mit Henry und Emma?«
»Lustig war’s. Schade, dass ihr nicht länger bei uns gesessen habt…«
Er zuckte die Achseln, als sei es nicht weiter wichtig. Doch nach dem, was Richard Julie erzählt hatte, nahm sie ihm das nicht ganz ab. Zu ihrer Überraschung wechselte er aber sofort das Thema. »Weißt du, was ich an dem Abend erfahren habe? Die Band, die spielte, war doch Ocracoke Inlet, und kurz bevor ich ging, hat Drew gefragt, ob ich für ihren Gitarristen einspringen würde. Er muss zu einer Hochzeit nach Chicago, wenn ihr nächster Gig im Clipper ansteht.«
»Wow – das ist ja super! Wann spielt ihr denn?«
»In ein paar Wochen. Ist zwar nur eine einmalige Sache, aber es dürfte lustig werden. Die meisten Songs kenne ich, und so schlecht ist die Band auch wieder nicht.«
»Du hast mir früher aber was anderes erzählt.«
»Da haben sie mich ja auch nicht zum Mitspielen aufgefordert. Jetzt bin ich richtig gespannt. Könnte am Ende der Einstieg sein, um was Festes zu kriegen.«
»Na ja«, sagte Julie, die seiner Begeisterung keinen Dämpfer versetzen wollte, »freut mich, dass es geklappt hat.«
Sie schwiegen kurz, und Mike trat von einem Fuß auf den anderen.
»Und, was hast du so getrieben? Ich meine – ich weiß, dass du mit Richard unterwegs warst, aber in letzter Zeit haben wir kaum miteinander gesprochen. Irgendwelche aufregenden Neuigkeiten?«
»Nein, eigentlich nicht. Singer macht
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