Du bist nie allein
weder angeboten, sie abzuholen, noch den Vorschlag gemacht, erst einen Happen essen zu gehen –, aber Andrea war aufgeregt, denn schließlich kam es einem Date schon ziemlich nahe. Eine Stunde lang hatte sie sich den Kopf zerbrochen, was sie anziehen sollte, bevor sie sich auf den Weg zum Clipper machte.
Zur Begrüßung hatte Cobra sie gleich umarmt, ihr beide Hände an den Hintern gelegt und sie auf den Hals geküsst.
Es hatte ihr nichts ausgemacht. Schließlich sah Cobra nicht schlecht aus, im Vergleich zu manch anderem Typen, mit dem sie schon ausgegangen war. Er trug zwar ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf vorn drauf und Lederbeinlinge über speckigen Jeans, aber er war weder fett noch übermäßig behaart. Und die Meerjungfrau, die er auf den Arm tätowiert hatte, fand Andrea sehr hübsch, verglichen mit anderen Tattoos, die sie schon gesehen hatte. Der Goldzahn war nicht unbedingt ihr Fall, aber Cobra roch ziemlich sauber, was nicht immer selbstverständlich war.
Trotzdem war Andrea schließlich zu dem Schluss gelangt, dass der Abend komplett vergeudet war und sie mit Cobra einen Fehler gemacht hatte. Zum einen waren schon bald seine Freunde aufgekreuzt, und einer von ihnen hatte Andrea gesteckt, dass Cobra gar nicht sein richtiger Name war. In Wahrheit hieß er Ed DeBoner.
In dem Moment begann ihr Interesse abzuflauen. Aber das hätte sie nie im Leben zugegeben. Anders als Cobra (oder Snake oder Rat oder auch Dean) war Ed nicht der Name von jemandem, der eine Harley fuhr und das freie Leben lebte. Ed – das war kein Name für einen richtigen Mann. Ed, so hieß doch ein sprechendes Pferd, vom Nachnamen ganz zu schweigen.
»Wollen wir zu dir gehen, Baby?«, fragte Cobra jetzt mit schwerer Zunge.
Andrea ließ ihr Kaugummi in den Mund zurückschnappen. »Nein.«
»Dann lass uns noch einen trinken.«
»Du hast doch kein Geld mehr.«
»Dann lad mich ein, und ich revanchier mich später dafür, Baby.«
Vorhin hatte es ihr noch gefallen, »Baby« genannt zu werden, aber da sagte es ja auch nicht so eine Lusche namens Ed DeBoner. Andrea ließ eine Kaugummiblase knallen.
Cobra schien ihre Verachtung nicht zu bemerken. Er fuhr ihr mit der Hand über den Oberschenkel, woraufhin sie aufstand und fluchtartig den Tisch verließ. Sie brauchte dringend etwas zu trinken.
Als sie auf die Theke zuging, erkannte sie Richard.
Julies Gesicht hellte sich auf, als sie Mike, Henry und Emma an einem Tisch in der Nähe der Tanzfläche entdeckte. Sie griff nach Richards Hand.
»Komm mit«, sagte sie. »Ich glaube, ich weiß, wo wir uns hinsetzen können.«
Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge.
»Hey, Leute! Hab gar nicht damit gerechnet, euch hier zu treffen«, sagte Julie. »Wie geht’s?«
»Gut«, sagte Henry. »Wir sind nach dem Essen noch auf einen Sprung hergekommen.«
Richard stand hinter ihr, und Julie zog leicht an seiner Hand. »Ich möchte euch jemanden vorstellen. Richard – das sind Henry und Emma. Und das ist mein bester Freund, Mike.«
Henry streckte die Hand aus. »Hallo«, sagte er.
Richard zögerte kurz, bevor er Henrys Hand ergriff. »Hallo«, sagte er knapp.
Auch Mike und Emma begrüßten ihn. Als Julie Mike ansah, lächelte er munter, dabei brachte die Situation ihn fast um. Von der warmen Luft in der Kneipe war Julies Gesicht leicht gerötet. Heute Abend war sie ganz besonders schön, fand Mike.
»Möchten Sie sich setzen?«, bot Henry an. »Hier sind noch ein paar Stühle frei.«
»Nein – wir wollen keine Umstände machen«, sagte Richard.
»Das macht keine Umstände. Na los. Setzt euch her«, warf Emma ein.
»Stören wir auch wirklich nicht?«, fragte Julie.
»Sei nicht albern«, sagte Emma.
Julie lächelte und ging um den Tisch herum, um sich zu setzen; Richard schloss sich ihr an. Gleich danach beugte sich Emma über den Tisch.
»So, Richard«, sagte sie, »dann erzählen Sie mal ein bisschen über sich.«
Das Gespräch verlief zunächst schleppend, da Richard einsilbig blieb und nur auf direkte Fragen antwortete. Julie sprang gelegentlich mit zusätzlichen Informationen ein, hin und wieder stieß sie ihn scherzhaft in die Seite, wie um ihn zum Reden zu ermuntern.
Mike lehnte sich interessiert nach vorn, um das Gespräch mitzuverfolgen.
Er wollte höflich sein und außerdem war er gespannt, mit wem er es aufzunehmen hatte. Aber schon bald hatte er das Gefühl, dass ihm schwere Zeiten bevorstanden. Sogar ihm leuchtete ein, warum Julie an Richard interessiert war. Er
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