Du bist nie allein
werde ich es wissen.
Kapitel 7
» D a ist er«, sagte Henry, »pünktlich wie immer.« Es war Dienstag früh, wenige Tage nach dem Abend im Clipper. Henry trank ein Dr Pepper und beobachtete, wie Richard auf der anderen Straßenseite auf den Salon zuging. Richard hatte ein Geschenk dabei – ein kleines Päckchen –, aber das war nicht der Grund für Henrys Neugier.
Weil er Richard am Samstag erzählt hatte, wo er arbeitete, hätte er erwartet, dass Richard zumindest einen Blick in Richtung Werkstatt werfen würde. Am Vortag hatte Henry sogar gewunken, aber entweder sah Richard ihn nicht oder er
tat
zumindest so. Den Blick unverwandt geradeaus gerichtet, war er vorbeigegangen. Genau wie heute.
Bei den Worten seines Bruders tauchte Mike unter der Motorhaube eines Autos hervor. Er griff nach dem Lappen, der hinter seinem Gürtel klemmte, und wischte sich die Hände daran ab.
»Muss ja toll sein, so als Ingenieur«, sagte Mike. »Hat der Typ eigentlich nie zu arbeiten?«
»Jetzt reg dich nicht auf. Du hast letzte Woche genug geschmollt, das reicht für dieses Jahr. Im Übrigen ist es dir doch sicher lieber, er besucht sie bei der Arbeit statt zu Hause, richtig?«
Ein Blick verriet Henry, dass Mike darüber noch gar nicht nachgedacht hatte. Fast augenblicklich machte sich Bestürzung auf Mikes Gesicht breit.
»Hat er ein Geschenk für sie dabei?«, fragte er.
»Ich glaub schon. Vielleicht will er Eindruck bei ihr schinden.«
Mike wischte wieder an seinen Händen herum. »Tja, in dem Fall werde ich wohl später auch mal mit einem kleinen Geschenk vorbeigehen.«
»Schon besser«, sagte Henry und schlug seinem Bruder auf den Rücken. »Genau das will ich von dir hören. Etwas weniger Gejammer, etwas mehr Initiative. Wir Harris waren immer schon Männer, die schwierige Situationen als Herausforderung nehmen.«
»Danke, Henry.«
»Aber bevor du nun mit Feuereifer losziehst, lass dir einen Rat geben.«
»Klar.«
»Vergiss das Geschenk.«
»Aber du hast doch gerade gesagt…«
»Das ist
sein
Ding. Bei dir funktioniert das nicht.«
»Aber…«
»Glaub’s mir. Das zeigt nur deine Verzweiflung.«
»Ich
bin
verzweifelt.«
»Mag sein«, räumte Henry ein. »Aber das darf sie nicht merken. Sonst hält sie dich für einen Jammerlappen.«
»Richard…«
Julie sah staunend in das offene Schmucketui in ihrer Hand. Ein verziertes, herzförmiges Medaillon an einer Goldkette befand sich darin. »Es ist wunderschön.«
Sie standen draußen vor dem Salon, ohne zu merken, dass Mike und Henry von der anderen Straßenseite aus zusahen und Mabel und Singer durch das Fenster hinter ihnen lugten. »Aber… warum? Ich meine, aus welchem Anlass schenkst du mir das?«
»Nur so. Ich sah es, und, na ja… es gefiel mir. Oder vielmehr, ich dachte an dich und fand, du solltest es bekommen.«
Julie sah erneut auf das Medaillon. Es war offenbar wertvoll, und sie hatte das Gefühl, dass Erwartungen daran geknüpft waren.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, hob Richard die Hände. »Bitte – ich möchte, dass du es annimmst. Wenn es sein muss, denk einfach, es wäre ein Geburtstagsgeschenk.«
»Mein Geburtstag ist aber erst im August!«
»Dann bin ich eben früh dran.«
Er schwieg kurz. »Bitte.«
»Richard… es ist sehr hübsch, aber ich kann es wirklich nicht annehmen.«
»Es ist doch nur ein Medaillon und schließlich kein Verlobungsring.«
Immer noch unsicher, gab Julie endlich nach und küsste ihn. »Vielen Dank«, murmelte sie.
Richard deutete auf das Medaillon. »Probier es mal an.«
Julie hakte den Verschluss der Kette auf und legte sie sich um den Hals. »Wie sieht es aus?«
Mit einem abwesenden Lächeln starrte er auf das Medaillon, als dächte er an etwas anderes. Dann antwortete er, ohne den Blick abzuwenden: »Perfekt. Genau so habe ich es in Erinnerung.«
»In Erinnerung?«
»Vom Juweliergeschäft«, sagte er. »Aber bei dir sieht es noch schöner aus.«
»Oh. Aber das war wirklich nicht nötig.«
»Da irrst du dich. Genau das war nötig.«
Julie stemmte eine Hand in die Hüfte. »Du verwöhnst mich! Sonst kommen nur wenig Leute auf die Idee, mir einfach so etwas zu schenken.«
»Dann ist es doch gut, dass ich es gemacht habe. Eine Überraschung tut jedem ab und zu gut.«
Er schwieg. »Hör mal, hast du Lust, diesen Freitag was zu unternehmen?«
»Ich dachte, du musst irgendwohin zu einem Meeting?«
»So war es auch geplant. Aber das Meeting wurde abgesagt. Ich habe das ganze Wochenende
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