Du bist nie allein
Mut nicht zu verlieren, und atmete tief durch.
»Ich hab Pralinen für dich besorgt«, sagte er und hielt ihr die Schachtel hin.
Julie sah ihn an. »Das sehe ich. Dankeschön.«
Ich hab Pralinen besorgt? Mehr fällt mir nicht ein?
»Hallo?«, trällerte Julie. »Jemand daheim?«
Der erste Satz… der erste Satz… Mike überlegte angestrengt, und bruchstückhaft kehrte die Erinnerung zurück.
»Du bist heute Abend am Strand wunderschön«, stieß er schließlich hervor.
Julie musterte ihn kurz und lächelte dann. »Danke. Aber wir sind ja noch gar nicht da.«
Mike schob die Hände in die Hosentaschen. Idiot!
»Tut mir Leid«, sagte er, da ihm nichts Besseres einfiel.
»Was denn?«
»Dass ich nicht weiß, was ich sagen soll.«
»Wovon redest du?«
Ihr Gesichtsausdruck war eine eigentümliche Mischung aus Verwirrung und Geduld, und vor allem deshalb war Mike endlich imstande, die richtigen Worte zu finden.
»Nichts«, sagte er. »Ich glaube, ich freue mich einfach darauf, mit dir zusammen zu sein.«
Julie spürte, wie aufrichtig diese Worte waren.
»Ich auch«, sagte sie.
Mike beruhigte sich etwas. Er lächelte, hielt aber den Blick in die Ferne gerichtet, als wollte er die Gegend einer genauen Prüfung unterziehen. Vor lauter Befangenheit wusste er nicht weiter.
»Also, bist du so weit?«, fragte er schließlich.
»Natürlich.«
Als Mike sich eben zum Gehen wandte, hörte er, wie Singer im Haus losbellte, und sah sich um.
»Kommt Singer nicht mit?«
»Ich wusste nicht, ob es dir recht wäre.«
Mike blieb stehen. Singer konnte unter Umständen dazu beitragen, dass die Situation nicht so verkrampft war. »Wenn du möchtest, nimm ihn doch mit! Am Strand findet er es sicher toll.«
Als Julie zum Haus schaute, bellte Singer erneut. Sein Gesicht tauchte am Fenster auf. Sie hätte ihn gern dabeigehabt, schließlich war er nahezu immer an ihrer Seite, aber letzten Endes war sie ganz offiziell mit einem Mann verabredet! Bei Richard – oder allen anderen Männern, mit denen sie ausgegangen war – hätte sie nicht einmal in Betracht gezogen, Singer mitzunehmen.
Sie lächelte. »Dann warte kurz, bis ich ihn geholt habe, okay?«
Ein paar Minuten später – sie fuhren gerade über die Brücke, die nach Bogue Banks führte – bellte Singer wieder. Er saß auf der Ladefläche des Pickup, hielt Zunge und Ohren in den Wind und machte einen rundum zufriedenen Eindruck.
Singer rollte sich vor dem Restaurant im warmen Sand zusammen, während Julie und Mike an einem Tisch auf der Terrasse Platz nahmen. Am langsam dunkler werdenden Himmel bildeten sich Zirruswolken. Die Seebrise, die auf der Insel immer etwas kräftiger wehte, zerrte rhythmisch an den Volants des Sonnenschirms am Tisch. Julie klemmte sich das Haar hinter die Ohren, damit die Strähnen ihr nicht ins Gesicht wehten. Der Strand war menschenleer – der große Besucherandrang setzte meist erst nach dem Gedenktag am 30. Mai ein –, und die Wellen schlugen sacht auf den glatten Sand am Ufer.
Im Restaurant herrschte eine zwanglose und angenehme Atmosphäre, und dank der Lage direkt am Strand waren die meisten Tische besetzt. Als der Kellner kam, bestellte Julie ein Glas Wein. Mike entschied sich für eine Flasche Bier.
Auf der kurzen Fahrt hatten sie sich ein wenig von dem vergangenen Tag erzählt. Wie üblich ging es um Mabel und Andrea, Henry und Emma. Während sie plauderten, versuchte Mike sich etwas zu beruhigen. Er war zwar immer noch nicht darüber hinweg, dass er seinen Plan zunichte gemacht hatte, indem er bereits den ersten Satz vergaß. Doch inzwischen ging alles glatt. Zu gern hätte er das seinem angeborenen Charme zugeschrieben, aber tief im Herzen wusste er, dass Julie dafür verantwortlich war.
Während der ersten Minuten im Restaurant fiel es Mike schwer, sich zu konzentrieren. Schließlich hatte er sich seit Jahren sozusagen täglich einen solchen Moment vorgestellt. Als Julie ihr Weinglas hob und die Lippen schürzte, um ein Schlückchen zu trinken, kam es Mike vor, als hätte er noch nie etwas so Sinnliches gesehen.
Es gelang ihm, zwanglos zu plaudern und Julie sogar ein paarmal zum Lachen zu bringen, doch bis das Essen kam, war er derart nervös und unsicher, dass er kaum mehr wusste, worum es in ihrem Gespräch eigentlich gegangen war.
Jetzt reiß dich zusammen, dachte er.
Mike war offenbar nicht ganz er selbst.
Julie wunderte es nicht. Sie wusste, dass es ein wenig dauern würde, bis er sich entspannt hatte. Ganz
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