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Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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anzurufen. Henry hatte in all den Jahren, die sie ihn kannte, noch nie mit ihr telefoniert. Blieb also nur Emma, die allerdings wusste, wie sehr die Anrufe Julie aus der Fassung gebracht hatten, und ihr offenbar eine Auszeit gönnte.
    Ungestört kochen, duschen, in einer Zeitschrift blättern oder mit Mike kuscheln zu können war zwar ganz nett. Doch nach einer Woche ging ihr die Ruhe zunehmend auf die Nerven.
    Und ruhig war es tatsächlich gewesen. Julie hatte niemanden gesehen, der Richard auch nur von ferne ähnelte, dabei hielt sie anfangs praktisch ununterbrochen nach ihm Ausschau. Wie natürlich auch Mike und Mabel und Henry.
    Dutzende Male am Tag trat sie ans Salonfenster und spähte wachsam in beide Richtungen. Beim Autofahren bog sie manchmal urplötzlich von der Straße ab, hielt an und prüfte im Rückspiegel, ob ihr etwa jemand folgte. Mit geübtem Blick musterte sie Parkplätze, und wenn sie in der Post oder im Supermarkt Schlange stand, behielt sie die Tür im Auge. Wenn sie nach Hause kam und Singer gleich in Richtung Wald laufen wollte, rief sie ihn zurück, damit er erst das Haus absuchte. Julie wartete draußen, das Pfefferspray griffbereit. Doch stets kam Singer wenig später schwanzwedelnd wieder heraus.
    Warum stehst du denn noch auf der Veranda?,
schien er zu fragen.
Willst du nicht reinkommen?
    Selbst dem Hund fiel ihr leicht paranoides Benehmen auf. Doch Vorsicht war besser als Nachsicht.
    Aber auch Mike passte mit auf. Wenn Julie nicht gerade bei der Arbeit war, behielt Mike sie nahezu immer im Auge. So schön es war, ihn um sich zu haben, manchmal fühlte sie sich ein wenig eingeengt. Bei manchen Dingen musste Mike
nicht
unbedingt dabei sein.
    In der Vorwoche war Officer Romanello zu einem Gespräch vorbeigekommen. Sie ließ sich alles schildern und forderte Julie auf, unverzüglich anzurufen, falls sich wieder etwas Außergewöhnliches tat. Julie ging es danach besser, doch bisher hatte es keinen Anlass gegeben anzurufen. Was Mike betraf, hatte der Bezirksstaatsanwalt von der Eröffnung eines Verfahrens abgesehen, hielt sich diese Möglichkeit aber noch für einen späteren Zeitpunkt offen. Immerhin war Mike vorläufig aus dem Schneider. Allerdings nicht, weil der Staatsanwalt Mike Recht gab, sondern weil Richard nicht erschienen war, um offiziell auszusagen. Man hatte ihn auch nirgends erreichen können.
    Seltsam, dachte Julie, als sie davon erfuhr.
    Doch nachdem tagelang absolut nichts geschah, wurde Julie mutiger. Natürlich vergaß sie nie das mögliche Risiko, aber etwas hatte sich geändert. In der Vorwoche hatte sie damit
gerechnet,
Richard zu sehen. Er hätte überall lauern können, und darauf hatte sie sich eingestellt. Sie war jederzeit bereit, loszuschreien oder wegzulaufen oder falls nötig Singer auf den Kerl zu hetzen.
    Aber je länger sie Augen und Ohren offen hielt, ohne eine Spur von ihm zu entdecken, desto mehr bröckelte ihre Entschlossenheit. Sie blieb zwar weiter auf der Hut, doch sie rechnete nicht mehr damit, ihn zu sehen. Als Mike also erwähnte, Steven Sides hätte ihm ausrichten lassen, er solle nach der Arbeit kurz in der Kanzlei vorbeikommen, erwiderte Julie, sie sei müde und werde schon allein nach Hause fahren.
    »Komm einfach vorbei, wenn du fertig bist«, sagte sie. »Und ruf mich an, falls es später wird, okay?«
    Singer sprang aus dem Jeep, sobald sie Halt machte, und lief los, quer durch den Garten, die Nase am Boden, immer weiter von Julie weg, bis sie ihn rief. Er hob den Kopf und sah sie über den Rasen hinweg an.
    Ach, nun komm,
schien er zu sagen.
Du warst schon so lange nicht mehr mit mir spazieren.
    Julie stieg aus dem Auto.
    »Nein, kommt nicht infrage«, sagte sie. »Wir können später gehen, wenn Mike hier ist.«
    Singer rührte sich nicht vom Fleck.
    »Tut mir Leid, aber ich will nicht allein in den Wald, verstehst du?«
    Selbst aus der Entfernung sah sie, wie Singer die Ohren hängen ließ. Ach,
komm doch.
    Julie blickte sich mit verschränkten Armen um. Richards Auto war nirgends zu sehen, auch auf der Fahrt war ihr nichts aufgefallen. Ein einziges Auto parkte in ihrer Straße, es trug den Schriftzug der Immobilienfirma, die den Verkauf der Grundstücke betreute, sowie den Namen ihrer Inhaberin: Edna Farley.
    Edna war Stammkundin im Salon. Sie ließ sich zwar ihre Haare immer von Mabel schneiden, aber über die Jahre hatte auch Julie Edna gut kennen gelernt. Sie war eine rundliche Person mittleren Alters und wie alle Immobilienmaklerinnen

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