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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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bedeckt. Die Fahrbahn ist noch nicht gestreut, ein Großteil der Autos erinnert an weiße Hügel. Daher kommt auch die Stille. Jedes Geräusch wird vom Schnee verschluckt. Es ist so schön, daß ich für einen Moment über meine Schulter schaue, um Jenni zu sagen, sie müsse sich das ansehen, das wäre völlig verrückt.
    Ich öffne das Fenster und stecke den Kopf raus. Schneeflocken wehen mir ins Gesicht, jetzt erst glaube ich, daß sie wirklich sind.
    Im Bad mache ich die Dusche an und weiche meinem Blick im Spiegel aus. Kleinigkeiten hegen auf der Ablage. Creme, Lippenstift, Ohrringe. Ich stelle mich unter den Wasserstrahl, drehe ihn heiß und heißer und erreiche den Punkt, an dem es unerträglich wird.
    Das Telefon klingelt, als ich beim Abtrocknen bin. Ich wickle mir das Handtuch um die Hüfte und gehe ran. Es ist Marek.
    -Wir haben ein Problem. Wir...
    Er verstummt, es rauscht in der Leitung, Marek schluchzt.
    —Was ist passiert? frage ich.
    -    Sie haben sich Val geschnappt, sie haben sie ... Wieder dieses Schluchzen, dann flucht Marek.
    —    Könntest du ... ich meine, ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll... bitte?
    -Wo seid ihr?
    -Vor deiner Tür.
    Ich schaue aus dem Fenster und sehe Marek in seinem Wagen sitzen, Handy am Ohr, Stirn am Lenkrad.
    -    Komm hoch, sage ich.
    -    Ich ... ich kann nicht...
    -    Dann warte, ich komme runter.

MAREK
1
    Nachdem wir Theo abgesetzt hatten, beschlossen wir, die Nacht in Oldenburg zu verbringen. Ich war viel zu erschöpft, um noch die Strecke nach Kassel zu fahren, und auch Val fühlte sich nicht danach.
    -Außerdem bin ich hungrig, sagte sie.
    Wir nahmen uns ein Zimmer und aßen im Restaurant. Wir sprachen über Theo und kaum über uns. Mir ging der Arzt nicht aus dem Kopf, den ich am Fenster des Besuchercafes gesehen hatte. War es derselbe Arzt, nach dem Val gefragt hatte? Sah ich einen der Schnellen? Und wieso fiel es mir so schwer, mit Val darüber zu sprechen?
    Weil ich Angst habe und die Schnellen nicht sehen will, gab ich mir zur Antwort.
    Das Hotel hatte einen Pool und eine Sauna. Val versuchte mich zu überreden, ich winkte ab. Auf Pay-TV lief ein Film, den ich sehen wollte, das Bett war weich, nichts und niemand würde mich dazu bekommen, in einen Pool zu steigen oder mir mit Geschäftsleuten die Sauna zu teilen.
    Val griff sich zwei der Handtücher, küßte mich und verließ das Zimmer.
    Ich schaffte es nicht einmal, den Fernseher einzuschalten. Die Müdigkeit überkam mich, und ich fiel in ein Wachkoma. Es war merkwürdig, wie ich da lag und genau wußte, daß ich da lag. Jedes Geräusch nahm ich wahr. Schritte über mir, Stimmen, das Anfahren von Autos. Irgendwann hörte ich das Öffnen der Zimmertür. Jemand flüsterte, ein leises Lachen erklang. Ich wollte aufstehen, hatte aber keine Kraft, bekam nicht einmal die Augen auf. Etwas raschelte, etwas berührte meinen Rücken, dann wurde mir das Gesicht ins Kissen gedrückt. Ich lag einfach nur hilflos da und spürte, wie mir Speichel aus dem Mundwinkel lief. Das Atmen fiel mir schwer und erst nach einer Ewigkeit verschwand der Druck, und ich konnte mein Gesicht aus dem Kissen heben und zur Seite drehen. Für lange Zeit blieb es still, nur mein lautes Keuchen war zu hören, dann ratterte etwas, ein Auto hupte, ein Vogel schrie und wurde von anderenVögeln begrüßt. Ich kämpfte mit der Müdigkeit und zwang mich, die Augen zu öffnen. Langsam, zäh blinzelte ich.
    Es war Morgen. Der Himmel leuchtete blau, die Geräusche der Stadt drangen für einige Sekunden überdeudich und klar durch das Fenster, bevor sie in den Hintergrund traten.
    Ich befand mich in derselben Haltung, in der ich aufs Bett gefallen war. Flach auf dem Bauch, Arme links und rechts vom Kopf, die Füße hingen über den Bettrand.
    Es war zehn Uhr, zwei schmale Sonnenstreifen lagen auf dem Kissen. Vals Bettseite war unberührt. Ich schrak auf, schmerzhaft zuckte es durch meine Schultern, verkrampfte Muskeln, ein widerliches Prickeln in den blutleeren Armen. Ich fühlte mich, als hätte ich die Nacht durchgemacht.
    Im Bad klatsche ich mir Wasser ins Gesicht. Vals Tasche lag noch im Flur. Ich schnappte mir den Zimmerschlüssel und rannte zur Rezeption hinunter.
    Niemand hatte Val gesehen, sie hatte auch keine Nachricht hinterlassen.
    —Wo geht es zum Swimmingpool? fragte ich.
    -    Der Pool hat noch geschlossen, sagte die Frau am Empfang.
    —    Ich muß da rein.
    —    Der Pool macht erst mittags um zwei auf,

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