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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Bei Streitereien versuche ich, verständnisvoll zu sein, bei Diskussionen die Balance zu halten, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Jenni gelang es nur einmal, mich so sehr zu reizen, daß ich unbedacht reagierte. Es war beim Duschen. In unserer Wohnung ist der Wasserdruck nicht der beste. Jedes Mal, wenn man unter der Dusche steht und jemand den Wasserhahn aufdreht oder die Klospülung drückt, fallt der Druck, und das Wasser wird kalt. Jenni wußte, wie sehr ich es haßte, unter einer kalten Dusche zu stehen. An diesem Tag hatten wir beide schlechte Laune. Ein Idiot hatte in einem meiner Kinos zwei Sitze aufgeschlitzt, und Jenni war rückwärts gegen einen Steinpfeiler gefahren, so daß sich der Kofferraum nicht mehr öffnen ließ. Ich hatte nicht mehr vor, das Haus zu verlassen, und Jenni bestand darauf, wegen der schlechten Laune, teuer Essen zu gehen. Ihr Betteln half nichts, für mich war der Tag gelaufen. Nachdem ich beschlossen hatte, unter die Dusche zu steigen, drohte sie mir, sich auf die Klospülung zu setzen. Und genau das tat sie dann auch, als ich gut eingeschäumt war. Mir riß der Faden. Ich rannte nackt aus der Dusche und in das Klo hinein. Jenni nahm erschrocken die Hand vom Spülknopf, als ich sie anschrie, ich würde ihr in den Hintern treten, wenn sie nicht sofort mit dem Kinderkram aufhören würde. Dann schrie sie auf. Ich hatte sie am Arm gepackt. Natürlich tat es mir leid, und Jenni gab zu, daß sie sich kindisch benommen hatte und wollte es nie wieder tun, aber ich weiß, daß sie sich insgeheim freute, mich aus der Reserve gelockt zu haben.
    —    He, was ist los? Willst du nach Oldenburg laufen?
    Ich sehe nach links. Keine Ahnung, wie lange der Wagen schon neben mir herfährt. Marek hat das Fenster heruntergekurbelt.
    —    Ich muß abkühlen, sage ich, Laßt mich kurz allein.
    An der Straßenecke bleibe ich stehen und sehe mir die Villen an. Es gab mal eine Zeit, in der mir nichts wichtig war. Ich lebte, und mehr gab es nicht. Ich besaß wenig, und von dem Wenigen konnte ich mich leicht trennen. Mir war kein Ort wichtig, die Menschen waren austauschbar. Es gab Flirts und vereinzelte Nächte mit Frauen, die nur vereinzelte Nächte wollten; Freundschaften mit Männern, die nicht unter die Oberfläche gingen. Es gab nichts, was mich wirklich hielt. Ich lebte mit der Philosophie, daß das Wenige, was ich hatte, reichen würde. Einer, der seine Wurzeln mit sich nahm und überall ein Zuhause fand. Mit Jenni änderte sich das. Sie wurde für mich mein Zuhause; sie wurde das, was ich nicht zurücklassen wollte, wohin auch immer ich ging. Und dann sollte sie auch noch die Mutter meines Kindes werden.
    Ich starre auf die parkenden Autos, die Gärten und das Licht in den Häusern, als würde ich darauf warten, daß jemand zurückstarrt. Mein Entschluß ist gefaßt. Marek und Val sollen mich in Oldenburg absetzen. Ich bin einer Illusion hinterhergerannt. Was hatte ich geglaubt, hier in Hamburg zu finden? Dachte ich wirklich, mir würde JennisTod leichterfallen, wenn ich die Schuld an eine mysteriöse Killerorganisation weitergebe, die aus Versehen Jenni getötet, aber in ihrem Blutrausch nicht mit Theo, dem Racheengel, gerechnet hat?
    Was für ein ausgemachter Blödsinn.
    Sobald ich zu Hause bin, werde ich Jennis Verschwinden melden. Danach will ich allein sein. Auch wenn ich mich davor fürchte, gibt es keinen anderen Weg. Das Wissen um JennisTod wird wieder und wieder auf mich einstürzen wie das kalte Wasser in der Dusche. Ich werde mich daran gewöhnen müssen, denn niemand wird im Klo stehen und erschrocken die Hand vom Spülknopf nehmen.
    Ich sehe zum Wagen zurück, der in zweiter Reihe auf mich wartet. Ich wüßte gern, welchem Gespenst Val und Marek hinterherjagen. Aber das ist nicht mein Problem. Ab jetzt nicht mehr.
    - Nach Hause, sage ich leise und denke an Jenni und den verlassenen Bauernhof. Ihr Grab am Tümpel. Die Bäume drumherum. Die dunkle Stelle auf der Erde, wo einmal ein Feuer brannte.
    Nachdem ich von meinem Gespräch mit Dr. Lorrent erzählt habe, lacht Val und meint, sie hätte schon lange nicht solch einen Quatsch gehört.
    -    Ich kann nicht glauben, daß du darauf anspringst, sagt sie, Da wirft sie dir ein paar Fachbegriffe vor die Füße, und du akzeptierst das. Meine Realität ist nicht verrutscht. In meinem Kopf finden keine Feuerwerke statt. Oder findest du, daß JennisTod ein schiefgegangenes Feuerwerk ist?
    -    Das habe ich nicht behauptet,

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