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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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zu führen. Aber aus irgendeinem Grund sah ich heute nicht ein, unsere Freundschaft zu verstecken.
    »Meine Güte, Mum«, sagte ich. »Es ist doch wirklich nicht so, als würde sie irgendwelche Familiengeheimnisse verraten.«
    Mum machte ein seltsames Geräusch – eine Art schnaubendes Lachen. »Nun, das weiß ich«, sagte sie.
    Ich zog mich zurück und fühlte den alten Ärger wieder hochsteigen. »Ich brauche jemanden, mit dem ich darüber reden kann. Eine Freundin «, fügte ich schnell hinzu, bevor Mum zwangsläufig sagen würde, ich könnte doch mit ihr sprechen. Dann, ganz plötzlich, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte kein Recht, mich zu ärgern. Nicht nach dem, was ich getan hatte.
    Ich verbarg meinen Kopf an ihrer Schulter, so wie ich es früher immer getan hatte. »Es tut mir leid.«
    Mum streichelte mein Haar. »Oh, Liv«, murmelte sie. »Ist schon gut.«
    »Olive!« Tobys Stimme rief von irgendwo hinten aus unserem Garten. »Komm endlich !«
    Ich holte tief Luft. Zählte bis drei. Dann legte ich Mum meine Hände auf die Schultern und wirbelte sie herum, sodass sie jetzt auf die Haustür blickte.
    »Geh arbeiten«, befahl ich. »Vitaminarme Bürger aller Länder brauchen dich.«
    »Du bist ein Schatz«, sagte Mum. Sie bückte sich und hob eine Tasche hoch, die hinter der Haustür klemmte. Darin war eine riesige Wassermelone. Mum gab ihr einen Klaps, als sie sie mir übergab. »Möge dein Tod schnell sein, tapfere Frucht.«
    Kill-die-Wassermelone war meine Idee gewesen. Ich hatte sie erfunden, kurz nachdem ich mein Wahrsagerzelt fertig dekoriert hatte. So um die Zeit, als ich auch Ami kennenlernte. Ich selber fühlte mich schon nicht besonders, aber Toby war total durch den Wind. Er verbrachte Stunden allein im Garten, saß da in einem Stuhl wie ein alter Mann. Und ich nehme an, ich fühlte mich verantwortlich – weil er so verzweifelt war wegen Dad, und weil Dad uns nie verlassen hätte, wenn ich nicht gewesen wäre. Also ging ich eines Tages zum Kühlschrank und holte die größte Sache, die ich finden konnte, heraus. Eine Wassermelone. Dann nahmen wir sie mit zum hinteren Zaun und zermatschten sie mit Stöcken zu Brei. Kein besonders kompliziertes Spiel. Und – ja, es stimmt – reine Verschwendung.
    Mum war ausgerastet, als sie sah, was wir machten. Hatten wir denn den Verstand verloren? Hatten wir eine Ahnung, wie viel eine Biowassermelone kostete? So viele Leute auf der Welt mussten hungern! Aber Toby brach plötzlich in Gelächter aus, und das war, ich schwöre es, als könnte man die Sonne scheinen hören. Ich erinnere mich, wie Mum dastand und ihn anstarrte, als wäre sie hypnotisiert. Dann sprang sie ohne ein Wort in ihr Auto, fuhr davon und kam kurz danach mit vier weiteren Wassermelonen zurück. Diesmal nicht aus dem Bio-Supermarkt.
    Wir hatten Kill-die-Wassermelone eine Weile nicht mehr gespielt, aber nach Tobys schrecklicher Nacht musste Mum sich gedacht haben, es wäre mal wieder an der Zeit, eine Melone zu opfern.
    Als ich nach hinten kam, wartete Toby schon mit zwei dicken Stöcken in den Händen. Er hielt mir einen davon hin. Ich nahm ihn, und wir tippten die Stöcke dreimal gegeneinander. Dann eine Verbeugung.
    »Möge das Killen beginnen!«, sagte ich. »Du fängst an.«

VIER
    Jeder wusste, dass ich beim monatlichen Freitagsschwimmen nicht mehr mitmachte, trotzdem wurde erwartet, dass ich am Schwimmbecken erschien. Ich hatte den Verdacht, dass Frau Doktor Richter mit diesem Arrangement etwas zu tun hatte, aber ich beklagte mich nicht. Der Pool quälte mich nicht halb so sehr wie der Ozean. Mir reichte es, auf dem Schulgelände zu sein, auf den hinteren Sitzen abzuhängen, Musik zu hören oder mit Ami zu quatschen.
    Normalerweise ließ man mich in Ruhe. Aber an dem besonderen Freitag winkte Miss Falippi mich zu sich, als ich gerade ins Schwimmzentrum ging.
    »Du bist heute Zeitnehmer«, verkündete sie und hängte mir eine Stoppuhr um den Hals. Ich überlegte kurz, etwas einzuwenden, aber Miss Falippi zeigte ihr entschlossenes Gesicht. »Die anderen Zeitnehmer sind schon am Beckenrand«, sagte sie. »Geh und stell dich zu ihnen, bitte.«
    Jade und Lavinia waren tief in ein Gespräch vertieft und hatten mir den Rücken zugekehrt, als ich ankam. Die dritte Zeitnehmerin war Miranda. Was nicht weiter überraschend war. Sie schien nicht gerade von der athletischen Sorte zu sein, und ich konnte sie mir auch nicht im Badeanzug vorstellen. Es war ohnehin schon schwierig sich

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