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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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auszumalen, dass ein Körper in ihrer schlabbrigen Uniform steckte. Sicher bestand sie nur aus Haut und Knochen.
    Miranda stand nicht weit vom Beckenrand, auf den ersten Blick ganz darin versunken, die Reflexionen auf der Wasseroberfläche zu betrachten. Aber als ich näher kam, richteten sich ihre Augen auf mich. Noch immer schauderte mich ein bisschen vor ihnen, vor den blassen Pupillen – obwohl sie diesen Spiegeleffekt vom ersten Tag nicht mehr hatten.
    »Ist deine Freundin heute hier?«, fragte sie mich. Ihre Stimme war dieses Mal nicht ganz so flach und eintönig. Sie klang neugierig.
    »Welche Freundin?«, sagte ich.
    »Na, die, mit der du immer sprichst«, erwiderte Miranda. »Wie heißt sie noch gleich?«
    Es ging sie ja nichts an, natürlich nicht, aber trotzdem antwortete ich. Vielleicht war ich so überwältigt, dass sie mich direkt angesprochen hatte.
    »Ami.«
    Miranda nickte, als ob sie es schon gewusst hätte. »Aha«, meinte sie, ein Finger an ihrem Kinn. »Jetzt bist du also mit Ami befreundet. Aber du warst doch früher mit Katie Clarke befreundet.«
    »Wer hat dir das erzählt?«, fragte ich scharf.
    »Niemand. Es ist offensichtlich, wenn man genau hinschaut«, gab Miranda zurück. »Nun hasst ihr euch, das ist schon mal klar. Aber dir scheint das nichts auszumachen. Komisch. Ich weiß nur nicht, ob dich das stark macht oder bedauernswert.«
    Bei mir loderte ganz plötzlich ziemlicher Ärger auf – grell und heiß. Was zum Teufel bildete sie sich ein, solche persönlichen Fragen zu stellen? Und über jemanden ein Urteil zu fällen? Dann stellte ich mir Frau Doktor Richter vor, wie sie mir mit dem Finger vor dem Gesicht drohte. Zügle deine Wut, Olive.
    Also – einmal tief einatmen, und ein schneller Themenwechsel. »Schwimmst du heute nicht?«
    Einen Augenblick lang schien sie die Frage zu ignorieren. Aber dann presste sie hervor: »Ich habe Dermatitis.«
    In meinem Gedächtnis flackerte kurz wieder der Anblick ihrer fleckigen Haut von neulich Abend auf. Als ob sie alles dick mit Make-up eingeschmiert hätte. Heute trug sie einen Pullover, obwohl es in der Schwimmhalle drückend heiß war. Ihre Hände konnte ich aber sehen. Sie sahen papieren und trocken aus. Schuppig.
    Während ich sie musterte, zog Miranda ihren Ärmel hoch und ich entdeckte, dass sie ein Faden-Kettchen um ihr Handgelenk gewickelt hatte – genau so eins wie Katie. Katie und ich hatten vor Jahren damit angefangen, sie zu tragen, als wir klein waren, und ich wunderte mich sowieso, warum Katie ihres noch hatte. Warum Miranda Katie imitieren wollte, war mir schleierhaft, aber ich wusste, dies war ein dünnes, rosa Todesurteil.
    »Das da wirst du besser los«, riet ich ihr.
    Miranda schüttelte ihr Handgelenk, damit wurde das Kettchen noch deutlicher sichtbar.
    »Warum?«, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang anders. Wie jemand, der sich unbedingt Gehör verschaffen will.
    »Wenn Katie sieht, dass du das trägst«, erklärte ich, »wird sie wahrscheinlich erst das Kettchen, und dann deinen Kopf mit ihren Zähnen zerfleischen.«
    Miranda schüttelte ihre Haare. Sie hatten einen Schimmer angenommen, den ich vorher nicht bemerkt hatte. »Sehe ich so aus, als würde mir das was ausmachen?«, sagte sie zornig. »Jetzt mal im Ernst.«
    Ich zuckte mit den Achseln. Drehte mich weg. Sollte Miranda doch ihre eigenen Fehler machen.
    Das erste Rennen wurde aufgerufen – Jungs 100-m-Freestyle –, und die Wettkämpfer begannen, sich die Trainingshosen auszuziehen und sich am Beckenrand aufzustellen. Wir Zeitnehmer standen jeweils am Ende einer Bahn. Miranda stand vor Bahn eins, ich neben ihr. Die Leute oben auf den Tribünen fingen an zu rufen, zu jubeln, zu pfeifen.
    Ami war inzwischen aufgetaucht. »Und, wer wird gewinnen?«, fragte sie. »Oder machst du das nicht mehr?«
    »Doch, schon«, sagte ich und drehte mich ein bisschen, damit Miranda mich nicht reden sehen konnte. Sie wusste schon viel zu viel über mich. Ich ließ meinen Blick über die Reihe der Schwimmer schweifen, die sich streckten und auf den Startblocks ihre Arme kreisen ließen. »Also, Joshua Bauer wird auf keinen Fall gewinnen«, begann ich. »Das steht mal fest. Und Aaron auch nicht.«
    »Was ist mit Cameron?«, fragte Ami. »Er ist ganz schön schnell.«
    »Stimmt. Aber er hat keinen Fokus«, erläuterte ich weiter. »Sieh ihn dir an. Er ist viel mehr damit beschäftigt, Katie seinen heißen Körper zu zeigen, als zu gewinnen. Und Tyler kommt immer nicht vom Block los.

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