Du denkst, du weißt, wer ich bin
Aber meine Gedanken schossen auch schon mal in andere Richtungen – was würde passieren, wenn ich den Türgriff loslassen und wieder auf ihn krachen würde. Und anstatt mich zu entschuldigen und wegzurutschen, einfach bleiben würde, wo ich war. Würde er den Arm um mich legen? Würde er mich näher an sich ziehen?
Als wir vor dem Vault vorfuhren, klimperten meine Nerven wie Windspiele. Ich stolperte, als ich aus dem Wagen stieg und landete fast im Rinnstein.
Miranda zog mich hoch und lachte. »Was ist los mit dir, Wonk-Hirn?«, fragte sie.
»Seekrank«, murmelte ich und ging los, weil ich mich bei der Schlange vor dem Vault anstellen wollte.
»Was tust du da?«, wollte Miranda wissen. »Wir sind natürlich Gäste der Band.« Als der Türsteher uns durchwinkte, flüsterte sie mir ins Ohr: »Du wirst für immer wie ein Nobody behandelt werden, wenn du dich ständig wie einer benimmst.«
Das Vault war schon ziemlich voll, und die Leute drängten sich um die Bar. »Lasst uns reingehen«, sagte Dallas. »Drängelt euch nach vorne vor.«
»Wir gehen erst mal für kleine Mädchen«, bestimmte Miranda und packte mich an der Hand.
»Macht aber nicht zu lang«, rief Dallas.
In dem hell erleuchteten Toilettenraum bemerkte ich eine Veränderung an Miranda. »Du hast dir die Haare schneiden lassen.«
Miranda fuhr sich mit den Fingern durch ihren Pony. »Ich habe es selbst gemacht. Es ist ein bisschen zick-zack-artig, wie bei dir. Gefällt es dir?«
Ich nickte, und dann sah ich das Top, das sie trug. »Warte mal, gehört das nicht mir? «
»Na klar«, lachte Miranda. »Du hast es mir doch geliehen.«
»Dieses hier habe ich dir nicht geliehen«, widersprach ich.
Miranda betrachtete sich im Spiegel. »Spielt das eine Rolle? Wir sind doch Freundinnen, oder?« Dann seufzte sie. »Gott, ich sehe aus wie ein Wrack. Ich habe keine Minute geschlafen.«
»Du siehst toll aus, Miranda«, sagte ich. Und es stimmte. Ich würde dieses Top nie wieder tragen können, jetzt, da ich gesehen hatte, wie gut es an ihr aussah.
»Das liegt daran, dass ich verliebt bin«, säuselte Miranda und streckte die Arme über dem Kopf aus. » Love, Love, Love .« Der verträumte Blick auf ihrem Gesicht beunruhigte mich.
»Hmm … Miranda?«, begann ich vorsichtig. »Du weißt aber, dass Dallas nicht für immer und ewig in Jubilee Park bleibt, oder? Vielleicht solltest du – du weißt schon – versuchen, nicht zu schnell zu tief einzusteigen.«
Miranda warf mir einen mitleidigen Blick zu. »Du bist ja so eifersüchtig.«
»Das ist es nicht«, entgegnete ich und war etwas verärgert. »Ich glaube nur, du solltest vorsichtig sein. Dich schützen. Sonst wird dein Herz brechen, wenn er geht.«
Miranda schüttelte den Kopf. »Er geht nirgendwo hin«, sagte sie. »Ich sorge dafür, dass er bleibt.« Sie öffnete ihre Tasche und nahm einen Lippenstift heraus.
»Du machst Spaß, stimmt’s?«, fragte ich. »Er kann gar nicht hier bleiben.«
»Und warum nicht?«, sagte Miranda, ihren Mund zum Kuss geformt, als sie sich vorbeugte, um ihn anzumalen. »Es gibt ein Studio ganz in der Nähe, das stundenweise zu mieten ist. Dallas hat einige neue Songs, die er da aufnehmen kann. Ich kenne einflussreiche Leute. Wenn die diese neuen Songs erst hören, werden sie sich darum reißen, Luxe unter Vertrag zu nehmen.«
Miranda schien sehr überzeugt von dem, was sie sagte. Als ob sie tatsächlich all dies geschehen lassen könnte . Sie schob den Lippenstift wieder in die Hülse und lächelte mich an, ihre Lippen glänzten. »Fertig?«
Ich schluckte und versuchte, mein unbehagliches Gefühl zu unterdrücken. »Klar.«
Dallas strahlte Miranda an, als wir zurückkamen. Er und Lachlan standen nebeneinander. Miranda ging geradewegs auf Dallas zu und schlang die Arme um ihn. Ich starrte auf den Platz neben Lachlan. Mein Herz raste. Ich konnte eigentlich einfach auf ihn zugehen, einfach so ganz lässig. Als ob nichts dabei wäre. Und den ganzen Gig neben ihm stehen – die Wärme seines Arms neben der von meinem, unsere Finger so nah beieinander, dass sie sich fast berührten.
»Olive!«, sagte Miranda ungeduldig. »Wieso stehst du bloß so da?« Sie zog mich zu sich, von Lachlan weg. Ich sah ihn an – ich weiß nicht, warum. Vielleicht hoffte ich, er würde etwas sagen oder tun, um einzugreifen. Aber keine Reaktion.
Sieh es ein, Olive , sagte ich mir. Er ist über dich hinweg .
Als die Band auf der Bühne auftauchte, legte Miranda einen Arm um mich und den
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