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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Bailey
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und zu etwas Fleisch bekämen , dachte ich brummig und schob mein Essen auf dem Teller hin und her. Nur weil sie Vegetarierin ist, müssen wir es auch sein?
    Mum sah mich besorgt an. »Du scheinst nicht hundertprozentig da zu sein«, sagte sie mit diesem vertrauten beunruhigten Gesichtsausdruck. »Vielleicht sollte ich meine Einkaufsfahrt verschieben.«
    »Sei nicht verrückt«, erwiderte ich einsilbig. Ich war nicht in der Stimmung, sie heute Abend zu schonen. »Du fährst.«
    Ich dachte, dass ich nach ihrer Abfahrt akzeptieren würde, dass ich den Gig verpasste. Aber der Ärger wurde sogar noch größer. Ich hetzte Toby viel früher ins Bett als gewöhnlich, und dann stampfte ich in mein Zimmer. Ich wollte ein paar Hausaufgaben machen und meine Wut mit Musikhören in den Griff kriegen.
    Aber mein Kopf lehnte jede Beschäftigung mit französischer Grammatik ab, und von der Musik fiel mir eher die Decke auf den Kopf.
    Dann tauchte aus dem Nirgendwo ein Gedanke auf. Warum nicht einfach zu dem Gig gehen? Toby schläft. Bei ihm ist alles in Ordnung. Als die Idee sich erst durch meine Gehirnwindungen geschlängelt hatte, wurde ich sie nicht mehr los. Sie breitete sich mehr und mehr aus. Warum musst du immer verzichten? Du hast auch ein bisschen Spaß verdient.
    Ich schlich zu Tobys Zimmer und spähte hinein. Er sah so vollkommen weggetreten aus, dass ich sicher war, er würde sich vorm Morgengrauen nicht rühren. Ich verglich die Zeit auf meinem Handy. Zehn vor neun. Ich würde mich beeilen müssen, wenn ich es noch pünktlich zu Miranda schaffen wollte.
    Vielleicht war es die Aufregung, dass ich es an diesem Abend so schnell den Berg hoch schaffte. Vielleicht waren es aber auch die Schuldgefühle. Egal, was der Grund war, auf jeden Fall drückte ich den Klingelknopf an Oonas Gartentor nur wenige Minuten nach neun. Nichts passierte. Die massiven Sicherheitstore rührten sich nicht, und die Haustür blieb geschlossen.
    Wie ein Felsbrocken lag mir die Enttäuschung im Magen. Sie sind schon weg .
    Olive, die Loserin, kam mal wieder zu spät. Ich wollte mich gerade umdrehen und nach Hause fahren, da öffnete sich die Haustür, und die Sicherheitslampen schalteten sich an. Sie überfluteten den Hof mit einem geradezu blendenden Licht. Jemand kam durch den Vorgarten auf mich zugetrottet. Allerdings nicht Miranda. Oona. Ich erstarrte. Keine Ahnung, was ich tun sollte.
    Am Tor blieb sie stehen und starrte mich an – die Augen glänzend und schwarz wie die eines Vogels. »Bist du die Neue?«, fragte sie. »Mirandas neueste Freundin?«
    »Hallo, Miss Delaunay«, sagte ich, leicht verdattert. »Ich bin’s, Olive Corbett.«
    Oona ließ sich nicht anmerken, ob sie mich wiedererkannte – weder von dem Mal, als ich ihr meinen Schirm geliehen hatte oder von den unzähligen Malen an ihrem Tor, während Mum ihr die Vitamine durch die Gitterstäbe gereicht hatte. Ich wünschte, ich hätte Miranda auf dem Handy angerufen anstatt zu klingeln. Es sah nicht so aus, als wollte Oona mich reinlassen.
    »Ist – ist Miranda da?«
    Oonas Blicke schossen hin und her. »Zum Glück ist sie noch drinnen«, sagte sie, und ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Ich muss mit dir sprechen. Schnell.«
    »Geht es um Ihre Vitaminbestellung?«, erkundigte ich mich. »Mum holt morgen Nachschub. Wenn Sie sie also anrufen –«
    »Es geht nicht um die Vitamine«, blaffte Oona mich an. »Es geht um Miranda. Ich mache mir furchtbare Sorgen. Sie läuft Gefahr –«
    »Miranda geht’s gut, Miss Delaunay«, unterbrach ich und bemühte mich, beruhigend zu klingen. »Sie müssen sie nicht so … abschirmen.« Als ob man versucht, mit einem Kissen auf dem Gesicht zu atmen. So hatte Miranda das Leben mit Oona beschrieben.
    »Du hast mich missverstanden«, sagte Oona kurz angebunden. »Miranda läuft Gefahr, andere zu verletzen. Ich versuche, die Leute vor ihr zu beschützen . Dich besonders.«
    Ich zuckte zusammen, und Oona lächelte dünn.
    »Endlich hörst du zu. Ich kann sehen, dass du stark bist, was ja gut ist. Aber trotzdem bist du immer noch in Gefahr.« Ihre Finger ergriffen die Torstäbe, und ihre Stimme sank, bis sie kaum noch zu vernehmen war. »Ich hätte sie natürlich früher zu mir holen sollen«, murmelte sie. Redete sie mit mir oder mit sich selbst? »Dann wäre alles vielleicht einfacher gewesen. Jetzt ist sie schon so kaputt – und so widerspenstig. Sie ignoriert alle meine Ratschläge. Sie trägt keine Handschuhe. Freundet sich mit Leuten

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